Piero Golia

The Painter

Einzelausstellung

28.4. —
16.7.2017

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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Gina Folly
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Gina Folly
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Piero Golia, The Painter, 2017, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Gina Folly

Das Kunsthaus Baselland präsentiert die erste institutionelle Ausstellung des in Los Angeles lebenden Künstlers Piero Golia in der Schweiz.

Man könnte sagen, mit Piero Golia eine klassische Ausstellung umsetzen zu wollen, ist nahezu unmöglich. Zum Glück. Denn Ausgangspunkt für alle seine künstlerischen Überlegungen sind die Reflektion über Systeme, wie etwa das System Kunst, das Verhältnis der KünstlerInnen dazu, die Abläufe, vor allem aber die Choreografie der einzelnen Beteiligten innerhalb eines Systems. Es ist ein Beobachten und dabei zugleich Hinterfragen der Zwänge und Normen darin, das Agieren der Institutionen und deren Erwartungen an die Kunstschaffenden. Es geht ihm aber auch darum, die Grenzen auszuloten, die im Miteinander einer Institution, eines Gefüges vorherrschen, und dabei auch deren Durchlässigkeit zu prüfen. Eine Ausstellung heisst für ihn daher nicht Werkauslage, sondern Diskussion, Gedankenanstoss, Blickwechsel, Kommunikation — und vor allem eines: ein theatralisches Moment mit unerwarteten Situationen zu kreieren.

Das lässt sich an vielen Projekten von Piero Golia nachzeichnen, die er in den letzten Jahren umgesetzt hat: Im Jahr 2005 etwa begründete er in Los Angeles die Mountain School of Arts mit, in der die Studierenden lernen und Unterricht nehmen können, ohne Studiengebühren zahlen zu müssen. Bis heute ist diese Schule aktiv und lädt internationale KünstlerInnen zu Workshops und Vorträgen ein. Ein Langzeitprojekt, mit dem sich auch Piero Golia zu Permanenz verpflichtet hat. 2013 wiederum rief Golia in Los Angeles das Chalet Hollywood ins Leben: eine Art Club, ausgestattet mit Leihgaben und Arbeiten von befreundeten KünstlerInnen, welcher als Ort der Kunsterfahrung durch Gespräche dem Austausch diente. Aber auch als ein Ort des gemeinsamen und vor allem kostenfreien Konsumierens von Essen und Trinken — eineinhalb Jahre lang. Leicht vorzustellen, dass dies so manches Budget ins Wanken brachte.

Auf Einladung des Hammer Museum bildete Golia dann 2014 mit einer Gruppe von Kunststudierenden die Nase des ersten US-Präsidenten George Washington vom Mount Rushmore nach. Erneut ein in seinen Ausmassen gewaltiges Projekt, mit dem Golia gerade die Herstellung von Kunst als theatralischen Akt formulierte. Bei vielen seiner Projekte steht nicht in erster Linie das Endresultat im Vordergrund, sondern der Prozess dorthin. Für Piero Golia ist nicht das Kunstwerk am Ende dieses Prozesses das Wesentliche, sondern der Akt der Entstehung und damit auch der Austausch mit anderen darüber. Seit 2008 läuft das Projekt Luminious Sphere. Ein stark strahlendes, kugelrundes Fluoreszenzlicht auf dem Dach eines Standard Hotels — eine Art Landmarke innerhalb Hollywoods. Golia kreiert damit eine eigene Form der Kommunikation innerhalb einer Grossstadt — unabhängig von Mobiltelefon und Social Media. Die Dinge zueinander in Beziehung zu setzen, sie dabei in ihrer Komplexität verstehen zu können und eine Ausstellung oder ein Projekt als Auslöser von eben diesen Prozessen zu verstehen, ist mitunter auch wichtigste künstlerische Motivation von Golia. Bei ihm wird Kunst auf eben diese Fähigkeit hinterfragt, ein sozial starkes Gefüge auszubilden, miteinander zu kommunizieren und dezidiert den Blick auf die Strukturen zu werfen, in denen wir uns bewegen. Dass daraus nicht einfach eine klassische Ausstellung resultieren kann, liegt auf der Hand.

Nun also die Einladung, im Kunsthaus Baselland ein Werk zu realisieren. Golia hat eine bestimmte Choreografie im Kopf, die auch die Tatsache einschliesst, dass zur gleichen Zeit eine der wichtigsten Kunstmessen in Basel stattfinden wird. Für Golia ist es — dies beschreibt er in einem der vielen Gespräche, die auf das erste Treffen in Rom folgen — eine Ware geworden, den Kommerz zu bestimmen. Auch wenn es einmal etwas anderes gewesen sein sollte, sei man heute beinahe wieder in den Jahren um 1980 angekommen. Man kaufe Kunst nach Quadratmetern. «So I was interested in breaking the numbers», so Golia weiter. «Breaking the numbers», meint hier, Grossformatiges möglichst effizient und umfangreich zu produzieren — und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Es heisst aber vielleicht auch, das gewöhnliche Mass einer Ausstellung zu übersteigen und damit unter Umständen auch an die Grenzen einer Institution zu gelangen, die allein mit der Bündelung aller Kräfte seinem Projekt Herr werden kann.

Es werden also E-Mails hin und her geschickt, es wird gerechnet, überlegt, geprüft und weiterhin viel geredet. Und dann steht er drin — der tonnenschwere Roboter auf seinen 14 Meter langen Schienen. Ein ganzes Rudel an Kränen, Gabelstaplern und Personen hievt ihn ins Kunsthaus. Statiker und Transportunternehmen prüfen, ob der Boden die Last halten wird. Nach tagelangem Programmieren tut der Roboter, der aus dem Umkreis der römischen Filmindustrie kommt, dann das, wofür man ihn aktiviert hat — er malt. Die theatralische Note dabei ist nicht zu übersehen. «Abstract painting», kommentiert Golia, «is all about theater, if you think about all the images showing Pollock in his studio for example pouring paint on canvas which lay on the floor. But something that interests me here as well is this idea of narration. As the robot reacts to the people who enter the space — one after another you can break the normal story of the exhibition. The paintings in the end will tell you the story of the exhibition. So the painting can be understood as a narrative.» Was Piero Golia vor allem an dieser hochspezialisierten Maschine interessiert, die scheinbar den Künstler ersetzt und in seinen Bewegungen bisweilen menschlich anmutet, wird sichtbar, sobald man den Raum betritt, der Roboter sich auf der Schiene in Bewegung setzt und man kaum eine Sekunde lang die Augen von ihm lassen möchte: Kunst als theatralischer Akt. Wie er den Pinsel durch die Luft wirbelt, sich kurz nach hinten beugt, überzogen und elegant zu gleich, um dann mit einer fast unerhörten Präzision den Pinsel in die verschieden farbigen Acrylfarben zu tauchen.

Tage-, wochen- und monatelang wird er grossformatige Leinwände, die vor ihm auf der fast 30 Meter langen Wand aufgespannt wurden, mit unterschiedlichen geometrischen Formen versehen. Er wird immer wieder seinen Roboterarm langsam in die vor ihm platzierten unterschiedlichen Farbtöpfe gleiten lassen und seiner eigenen Choreografie folgen — denn je nach Eintreten von Personen oder Gruppen wird er frei agieren. Doch man würde Golia falsch verstehen, wenn man meinte, er setze diese konzeptionell gedachten Projekte nur um der Theatralik Willen um. Während die Maschine im Ausstellungsraum in extrovertierter Geste die grossen Leinwände fertigstellen wird und eben nur dann malt und aktiv wird, wenn die Öffentlichkeit zugegen ist und Besucher den Raum betreten, wird sich Golia weiteren Dingen widmen können, wie er sagt. Die Kunstproduktion innerhalb der nächsten Wochen läuft also — ganz ohne den Künstler.

Man könnte auch sagen, dass das, was Piero Golia künstlerisch macht, spielt sich meist weniger auf der Bühne denn im Hintergrund ab… Man kann sich nicht dagegen verwehren, in Werksetzungen wie jenen von Golia auch eine deutliche Portion Humor und Ironie zu sehen — viel mehr als das beinhaltet sie aber auch eine kritische Distanznahme zu sich selbst und zum Künstlertum als solchem. Statt einen selbstbezogenen Geniekult zu feiern, inszeniert Golia eher das Neben-der-Bühne-Stehen, die Grosszügigkeit als eine künstlerische Geste und auch den Austausch und das Sensibilisieren des Betrachters für das, was wir von Kunst und Künstler respektive Künstlerin erwarten… Piero Golia gehört zu jenen Künstlern, die kompromisslos für ein Kunstverständnis einstehen, die sich fernab von Event und Oberflächlichkeit an den grundlegenden Fragen abarbeiten. In einem Interview, das er 2010 gab, formulierte er einmal: «If everyone tells you not to jump off the roof or you’ll die, you don’t jump because you trust it as if it were truth. Maybe the artist is the one who’s going to tell you that you can jump, and maybe you’re not going to die.»
Text von Ines Goldbach
Auszug aus der Publikation The Painter

Die Ausstellung wurde grosszügig unterstützt durch die Partner des Kunsthaus Baselland: kulturelles.bl, Migros Kulturprozent, Gemeinde Muttenz, werner sutter AG, prolog.work. Der Katalog wurde möglich dank der Unterstützng durch die Stiftung Roldenfund, Anthony Vischer, Adelaide & Peter Sutter de Vries, Gagosian Gallery, Galleria Fonti.

Während der Einzelausstellung von Piero Golia fanden ebenso jene beiden von Itziar Okariz und Markus Amm im Kunsthaus Baselland statt.

Kurator*in: Ines Goldbach