Itziar Okariz

31.5.  —
16.7.2017


Einzelausstellung

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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Ismael Lorenzo
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Itziar Okariz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler

Die Ausstellung der Künstlerin Itziar Okariz im Kunsthaus Baselland gibt erstmals einen Überblick über das umfangreiche Werk der baskischen Performancekünstlerin und zeigt ihr Schaffen zudem erstmals in der Schweiz.

Seit Langem gehört Okariz zu einer der wichtigen Stimmen in der internationalen Performanceszene. Zentral für ihr Schaffen steht die Entdeckung der Konstruktion von Identität. Aus der Genderdiskussion — insbesondere der 1990er-Jahre — erwachsen, würde man ihrem Werk jedoch mit dieser alleinigen Beschreibung nicht gerecht. Gerade in den aktuellen Arbeiten fokussiert die Künstlerin auf den Umgang mit Sprache und die Möglichkeit der Bedeutungsverschiebung durch Sprache. In Fragmenten, Wiederholungen, Auslassungen und neuen Zusammenschlüssen werden Wörter und Sätze auf die Möglichkeit neue Sinnzusammenhänge zu schaffen hinterfragt. Im Zentrum stehen dabei die Verbindung von Sprache und Körper sowie die Möglichkeit der Ausbreitung von Sprache im Raum.

Gleich im ersten Ausstellungsraum präsentiert Okariz u. a. die Toninstallationen Applause, die sich auf die Performance im Guggenheim Museum Bilbao am 16. Oktober 2007 bezieht. Die BesucherInnen können die Installation mit einem ‹On›-Schalter (erst 1 drücken, kurz waren, dann 2 drücken) selbst in Gang bringen. Es ertönt daraufhin eine Aufnahme von einem langsamen, gleichmässigen Klatschen, das die Künstlerin dem Besucher zugewendet aufgenommen hat. Ist es anfänglich allein das Klatschen einer einzigen Person, intensiviert sich der Rhythmus durch das Zutun der Anwesenden am Ort der Performance, wird dichter und lauter. Gleich einer Antwort, teilen die Gäste für eine bestimmte Dauer den Klatschrhythmus der Künstlerin, bis zu dem Moment, in welchem Itziar Okariz ihn selbst ändert und schliesslich beendet. Abhängig vom jeweiligen Ort und den Personen, die dabei zugegen sind, nimmt diese dialogische Performance ihre spezifische Gestalt und die Intensität der Interaktion an.

Im gleichen Raum sind fünf Videoprojektionen aus einer grösseren Serie zu sehen, die im ersten Moment abstrakt wirken und kaum zuzuordnen sind. Sie entsprechen dem Festhalten von alltäglichen Phänomenen mit der Kamera der Künstlerin. Es sind Aufnahmen wie das einfallende Morgenlicht, Lichtreflexionen in einer Teetasse oder auf einem Wasserlauf, die Struktur eines Küchenbodens. Die Titel unterstreichen den Charakter dieser speziellen Art des Videotagebuches, das Okariz kontinuierlich weiterführt und mit dem sie sich aus unterschiedlichen Perspektiven heraus — fragmentiert und erzählerisch zugleich — ihrem Umfeld annähert. Die Titel lauten, im Uhrzeigersinn: 5/28/16, 9:28 AM; 12/6/14, 7:48 PM; 12/6/14, 7:43 PM; 8/2/16, 12:50 AM; 1/30/15, 10:43 PM.

In den sich anschliessenden Videoräumen zeigt Okariz Arbeiten, die ihr Schaffen insbesondere in den Jahren 2000 bis 2004 bestimmt haben. To Pee in Public or Private Spaces präsentiert unterschiedliche Sequenzen von öffentlich ausgeführten Performances an wechselnden Orten, so in einer Metrostation, einer Brunnenanlage, einer Brückensituation usw. Zu sehen ist die Künstlerin selbst, wie sie innerhalb dieser unterschiedlichen Settings öffentlich, aber scheinbar ohne Publikum uriniert. Allein die Tatsache, dass Okariz dies im Stehen tut statt im Sitzen oder in der Hocke und es zugleich zu zelebrieren scheint, löst eine starke Irritation, ja auch Abwehrhaltung während der Betrachtung aus.

Nicht minder irritierend ist die hierbei vergleichbare Arbeit Climbing Buildings, Plaza Circular, Bilbao von 2003. Auf vier Monitoren wird ein und derselbe Akt aus unterschiedlichen Perspektiven heraus gefilmt. Statt dem Strassenverlauf in der Horizontalen zu folgen, klettert eine Frau in der Vertikalen die Hauswand eines öffentlichen Gebäudes empor, bis man — aus der Distanz und in der Totalen — allein das gewaltige Gebäude und die verschwindenden Umrisse der Frau erkennt. Es ist eben diese Umkehrung von alltäglichen Abläufen, ritualisierten oder auch tradierten Gesten, von etwas Vertrautem in eine irritierende Situation und daher neue Lesform, die die Künstlerin anhaltend beschäftigt.

In der grossen Shedhalle des Kunsthauses begegnen die BesucherInnen der raumgreifenden Arbeit Diary of Dreams: 22. November 2016 — 11. Januar 2017 — ein Traumtagebuch, persönlich und öffentlich zugleich. Auf 58 grossformatigen Blättern ist jeweils ein Datum zu sehen, begleitet von einem Wort, einem Satz — in Fragmenten, Wiederholungen oder Weglassungen, die in ihren typografischen Setzungen an Zeichnungen denken lassen. Es sind Passagen und Auszüge aus Erinnerungen an Träume der jeweils vorangegangenen Nacht oder — im Fall der nahezu leeren Papiere, die nur das Datum zeigen — an das nicht Erinnerte. Im Abschreiten der Blätter, die sich wie ein Band um den gesamten Ausstellungsraum ziehen und ihn zu fassen vermögen, formieren sich die kurzen Texte und Wörter im Nebeneinander zu abstrakten Mustern und Zeichnungen und scheinen ein Ganzes zu ergeben. Wie eine zweite Ebene legt sich darüber das gesprochene Wort. Über zwei Lautsprecher, die im Raum positioniert sind, spricht die Künstlerin die Textfragmente der Blätter. Immer wieder werden Wörter oder Satzpassagen wiederholt, verdichten sich und scheinen den weiten Raum der Shedhalle damit anzufüllen.

Im dritten und letzten Raum der Ausstellung zeigt Okariz die Arbeit Irrintzi Repetition. Ausgangslage ist eine Performance, welche die Künstlerin 2007 in verschiedenen Sälen des Guggenheim Museum in Bilbao durchgeführt hat. «Irrintzi», so die Künstlerin, «ist eine Art Ausruf, ein Freudenschrei, der wie ein Wort funktioniert und in verschiedenen Situationen ausgesprochen werden kann. Es ist ein Wort, das nichts konkret bezeichnet, aber eine Vielzahl von Bedeutungen und Emotionen in sich trägt.» Im Baskischen ist es ein Ausdruck von Freude, aber auch von Respekt, etwa wenn er zu Begräbnissen ausgerufen wird. Ihm wohnt jedoch zugleich eine vorsprachliche Ebene inne, ein Wort, das kommuniziert, ohne einen eindeutigen Inhalt zu transportieren. In der Ausstellung legt sich dieser laute Schrei in regelmässigen Abständen von rund zehn Minuten für die Dauer von ca. einer Minute über die gesamte Werkpräsentation. Itziar Okariz zeigt mit ihrer Auslegeordnung auf eindrückliche Weise, wie Sprache und Körper als Träger von Gefühl, Ausdruck und Norm funktionieren.
Text von Ines Goldbach

Live-Performance während der Ausstellungseröffnung am 30. März 2017 im Kunsthaus Baselland (Chapter 2, VW, 2013/2017), sowie am 17. Juni 2017 (Dream Diary) in Basel.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem CA2M, Centro de Arte Dos de Mayo in Madrid, Manuel Segade (Direktor), 27.10.2017—21.1.2018, sowie mit dem Tabakalera in San Sebastian, Ane Rodriguez Amenrariz (Direktorin), 16.2 bis 3.6.2018. Gemeinsam wurde ein umfassender Katalog zum Schaffen von Itziar Okariz erarbeitet.

Die Ausstellung wurde grosszügig unterstützt durch das AC/E sowie die Embajada de Espana en Suiza sowie durch die Partner des Kunsthaus Baselland: kulturelles.bl, Gemeinde Muttenz, Migros Kulturprozent, Anthony Vischer sowie werner sutter AG.

Parallel zur Einzelausstellung von Itziar Okariz fanden jene von Markus Amm und Piero Golia statt.

Itziar Okariz wird 2019 den Spanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig repräsentieren.

Kurator*in: Ines Goldbach