Lara Almarcegui

22.5. —
12.7.2015

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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Mineral Rights, 2015, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Mineral Rights, 2015, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Lara Almarcegui, Aushub aus Basel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler

Lara Almarcegui ist in den letzten Jahren durch eine Viel­zahl an unge­wöhnlichen Projekten aufgefallen. Einer breiten, internationalen Öffentlichkeit bekannt wurde die in Rotterdam lebende spanische Künstlerin u.a. durch Auftritte wie bei der Biennale von Venedig 2013. Im Kunsthaus Baselland hat sie ihren ersten grossen Auftritt in der Schweiz.

Viele Monate be­vor das Projekt Aushub aus Basel, 2015 im Kunsthaus Baselland begann, ­reiste die Künstlerin mehrfach nach Basel. Sie durchstreifte mit neu­gierigem Blick die Stadtlandschaft, arbeitete sich in konzentrischen Kreisen vom Kunsthaus aus weiter durch urbanes Gefüge — meist zu ­Fuss —, sprach mit Verantwortlichen und befreundeten Architekten, um die ak­tuellen Stadt- und Wohnbauprojekte in der Region Basel kennenzulernen: Dreispitz-Areal, Erlenmatt, Rheinhafen, Abriss der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz, Projekte in Pratteln usw. Immer entlang der Fragen: Wie ist die aktuelle bauliche Situation, wie ist die Erdbeschaffenheit?

Seit vielen Jahren erkundet Lara Almarcegui den zivilisatorischen Raum unserer Städte und untersucht das Verhältnis von urbaner Konstruktion, Regeneration und Verfall. Sie blickt auf Räume des Übergangs, an denen die Ordnung der Stadt auf die Ordnung der Natur stösst und sich neue Schritte der Stadtentwicklung abzeichnen. Bisweilen werden Gebäude temporär dekonstruiert, doch nicht um Fragen der Baustilkunde, der Architekturtheorie oder Kulturgeschichte zu klären, sondern um ihre Materialität und Konstruktion sicht- und spürbar zu machen. Deutlich wird dies insbesondere in Lara Almarceguis Auflistungen der Baumaterialien der Stadt São Paulo, Lund und Dijon — Millionen von Tonnen Beton, Glas, Eisen, Stahl oder Asphalt, die eine Stadt zusammenhalten.

Für das Kunsthaus Baselland hat Almarcegui nun 300 Kubikmeter Aushubmaterial in die unteren Shedhallen hineinschichten und sie meterhoch auftürmen lassen. Das mag nach Sensation klingen. Doch wenn man Lara Almarcegui kennt, ist rasch klar, dass es ihr um alles andere als um Effekthascherei geht. Vielmehr prüft sie mit ihren Arbeiten auf fundierte, künstlerisch-wissenschaftliche Weise, was für uns normal und gegeben erscheint. Woraus besteht Architektur? Wie ist sie konstruiert? Ist ge­bauter Raum eine verbindliche oder auch vergängliche, formbare Grösse, die im Moment der Errichtung bereits den Verfall in sich trägt? Worauf stehen die unzähligen urbanen Bauprojekte? Wer ist Besitzer, wer Eigentümer? Es sind grundlegende Fragen, die unser Zusammenleben, unser Miteinander in urbanen Kontexten betreffen und die Künstlerin interessieren.

In ihrem aktuellsten Werk Mineral Rights, Tveitvangen, das Lara Almarcegui im Kunsthaus in Form einer Projektion zeigt, geht sie den essenziellen und zugleich kaum gestellten Fragen nach den Besitzverhältnissen von Böden und deren Tiefe nach. Schürfrechte werden von Land zu Land unterschiedlich geregelt, und ihr Erwerb ist für eine Privatperson meist unmöglich. Lara Almarcegui hat vor Kurzem Schürfrechte in Norwegen erworben, in Tveitvangen, unweit von Oslo, für ein Gebiet von einem Quadratmeter Grösse. In der Projektion, die sie im Kunsthaus zeigt, wird der Besucher in eine Landschaft aus Steinformationen, Schneeresten, Waldstücken, Gräsern und Sträuchern entführt. In ein Gebiet, das bekannt ist für seine Eisenvorkommen. Eisen ist eines der wichtigsten Materialien im Baugewerbe, kein zeitgenössisches Gebäude kommt ohne dieses Material aus. Almarcegui wird das Eisen nicht abbauen, aber sie lenkt mit ihrem Projekt und den Rechten, die sie nun erhalten hat, den Blick auf eines der wichtigsten Konstruktionsmaterialien und dessen teilweise merkwürdigen beziehungsweise bedenklichen Besitz- und Eigentumsverhältnisse. Sie kommentiert mit ihren Arbeiten nicht nur, sondern sie schafft ein Bewusstsein für unser Sein, Wirken und Handeln in der Welt.
Text von Ines Goldbach


«Ich stelle ein Bewusstsein dafür her, wie der Raum, in dem wir uns bewegen, konstruiert ist.» Lara Almarcegui & Ines Goldbach. Ein Gespräch

Ines Goldbach (IG): Ich würde gerne mit dem Großprojekt beginnen, das du für deine Ausstellung hier in Basel planst. Um es kurz zu beschreiben: Du bringst eine riesige Menge Erde und Aushub von einem Standort mitten in Basel ins Kunsthaus, insgesamt 300 Kubikmeter Material. Natürlich stellen Projekte dieser Art jede Institution vor viele Probleme, die mit Hilfe unzähliger Partner gelöst werden müssen. Wie man das Material an den Ausstellungsort bekommt, ist nur eine von vielen Fragen. Doch von meiner Seite aus kommt noch dazu, dass viele Menschen in das Projekt involviert sind, Menschen, die akribisch darüber nachdenken und vielleicht eine andere Perspektive auf den Aushub auf der einen und Kunstprojekte im Allgemeinen auf der anderen Seite entwickeln. Interessiert dich diese Diskussion und wie beurteilst du diese Art von Projekt innerhalb einer Institution?

Lara Almarcegui (LA): Große Projekte neigen dazu, ein Gebäude und sein Team bis an ihre Grenzen zu fordern, denn wenn ein Gebäude das gesamte Material seiner eigenen Konstruktion tragen müsste, könnte es unter dem Gewicht einstürzen. Die Arbeit stellt die Konstruktion und die Institution in Frage, gleichzeitig thematisiert sie auch die Vergangenheit des Gebäudes und seine Zukunft als Ruine. Zu meiner Überraschung scheint das den an der Installation beteiligten Menschen zu gefallen. Obwohl die Installation eine schwere Aufgabe ist, inspiriert sie die Herausforderung. Daraus entsteht eine gute Zusammenarbeit.

IG: Eine gute Zusammenarbeit in welcher Hinsicht?

LA: Sie vereint der große Aufwand, den die Installation erfordert. Alle bemühen sich um das Gebäude und hoffen, eine gute Installation aufzubauen. Dieser Aufwand geht über das Übliche hinaus und erfordert große Kooperation innerhalb des Teams.

IG: Du sprachst das Stichwort «Ruine» an und hast recht: Jedes neue Bauwerk trägt bereits seine Zukunft in sich, zur Ruine zu werden — zu formlosem Material. Doch ebenso hat jedes Material das Potenzial, eine bestimmte Form anzunehmen: die eines Bauwerks, von Architektur, Häusern, Orten, Straßen, Städten oder urbanen Strukturen. Ich denke dabei an Arbeiten von dir, in denen du ein Abbruchhaus vergrubst oder das gesamte Material für den Bau eines bestimmten Gebäudes zusammentrugst. Ist diese Form der Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft etwas, das dich in deiner Arbeit generell interessiert?

LA: Das Scheitern eines architektonischen Projekts übt einen großen Reiz aus und das ist einer Gründe, warum wir Ruinen mögen. Wenn Architektur laut Definition den Raum rationalisiert und schließt, wenn Architektur das Ende von Freiheit bedeutet, dann steht der Verfall, als ihr Scheitern, für das Gegenteil: die Ruine als Versprechen. Die Ruine ist gleichbedeutend mit Brachland; sie ist eine in der Zeit stehen gebliebene Leerstelle, bietet aber Möglichkeiten. Alles, was uns Architektur nicht geben kann.

IG: In Verbindung mit Architektur könnte das wie eine Kritik klingen, aber ich denke, Projekte wie unseres hier in Basel beweisen auch, dass deine Strategien und Projekte es vermögen, uns gegenüber urbaner Planung, architektonischen Projekten und den Veränderungen und Umwandlungen, die sie mit sich bringen, zu sensibilisieren. Bist du daran interessiert?

LA: Meine Arbeiten rufen unterschiedliche Reaktionen hervor. Ein wichtiger Punkt bei allen Projekten aber ist, dass sie immer ein Gespräch und eine Diskussion über die Vergangenheit und Zukunft des Standortes auslösen: Warum ist ein bestimmter Standort verlassen, wer besitzt ihn und warum wurde er bisher nicht erschlossen, welche Pläne gibt es? Ich will verstehen, wie der Raum um mich herum konstruiert ist und welche Prozesse ihn dazu machen, was er ist. Meine Arbeit ist ein Versuch, auf eine ganz bestimmte Weise besser zu verstehen, wo ich bin…»
Auszug aus dem Gespräch, das vollständig in der Publikation Lara Almarcegui abgedruckt ist.

Ausstellung und Katalog wurden grosszügig unterstützt durch den Mondriaan Fund, AC/E Spain's Public Agency for Cultural Action, die Hans und Renée Müller-Meylan Stiftung, surrer, Hans Graf Bauunternehmung sowie die Partner des Kunsthaus Baselland: kulturelles.bl, Basellandschaftliche Kantonalbank, Gemeinde Muttenz, Migros Kulturprozent, werner sutter AG.

Parallel zur Einzelausstellung von Lara Almarcegui fanden jene von Alexander Gutke und Katharina Hinsberg statt.

Kurator*in: Ines Goldbach