Alexander Gutke

22.5.  —
12.7.2015

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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler
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Alexander Gutke, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2015, Foto: Serge Hasenböhler

Der schwedische Künstler Alexander Gutke, der mit den Medien Film, Super-8, Fotografie und Installation arbeitet, wird nun erstmals in einer gross angelegten institutionellen Einzelausstellung vorgestellt.

Die Ausstellung des schwedischen Künstlers Alexander Gutke beginnt mit einem Werk, das vom Ende erzählt: 9 ways to say it’s over, so der vieldeutige Titel der Arbeit, für die der Künstler das eingespielte Ende von ausgewählten Filmen aus den 1920er- bis 1960er-Jahren verwendet hat. Ähnlich eines Filmstreifens läuft das Band der unterschiedlichen Sequenzen als Vertikale über die Wand und begrüsst und verabschiedet den Besucher bei seinem Ausstellungsrundgang.

Dass Gutke sich intensiv mit dem Medium Film auseinandersetzt, spiegeln viele seiner Werke wider. Nicht zuletzt ist es das Motiv des Loops, der Endlosschleife, die als skulpturale Setzung und auch innerhalb der gezeigten Film-, Video- und 16-mm-Projektionen eine wichtige Rolle für den Künstler spielt. Da ist etwa Measure, ein in Kupfer ausgeführtes Massband, das sich als Möbiusschleife präsentiert und diesen Gedanken von einer durchgehenden Bewegung, ohne Anfang oder Ende, unterstützt.

Markant auch zieht sich der gewaltige Filmloop des Werkes Vertigo als Vertikale durch den Ausstellungsraum im Foyer und leitet den Blick innerhalb der Struktur der Treppenanlage hinunter auf die untere Ausstellungsebene. Über ein Spiegelsystem wird die Projektion auf die Mitte einer Vinyl-Single geleitet, die den Eindruck eines sich drehenden Labels bzw. einer rotierenden Wendeltreppe wiedergibt. Die Installation des Werkes hier im Kunsthaus Baselland an eben dieser Stelle greift die Sogwirkung und das Schwindelgefühl, das der Film Vertigo in einer bekannten Sequenz deutlich ausstrahlt, auf und macht es physisch erfahrbar.

Der Loop-Gedanke wiederholt sich ebenso in dem Werk Folded into One. 500 Kartonboxen hat der Künstler mit dem Bildmotiv eines Sternenhimmels innen und aussen bedrucken lassen. Ein Sternenhimmel — Sinnbild für Unendlichkeit — wurde vom Künstler sozusagen in eine Form gefaltet, in jeder einzelnen Box ein kleines Universum. Und auch das Werk Horizon, das Gutke auf der benachbarten Wand ausführen liess, erzählt von der Möglichkeit, eine scheinbar unendlich grosse, für uns nicht mehr fassbare Anzahl an Tagen (auf Schwedisch ‹dagar›) dennoch greifbar und physisch erfahrbar zu machen. Gutke selbst vergleicht es mit dem Erlebnis eines Sonnenuntergangs über einer Horizontlinie, die sich uns mehr als zweidimensionales Bild präsentiert denn als Resultat der Erdkrümmung.

Das Sonnenlicht ist es auch, was Gutke für seine fünfteilige Werkserie 9 to 5, Stormgatan, nutzt. Gleichsam ein standardisierter Arbeitstag von 9 bis 17 Uhr, fängt der Künstler zu jeder vollen Stunde die Lichtverhältnisse auf einem Ausschnitt seiner Atelierwand ein. Anschliessend druckt er die Fotografie, die er um wenige Prozent verkleinert, aus und hängt sie an eben diese Stelle, fotografiert sie zur nächsten vollen Stunde erneut, druckt sie aus usw. Final kontrollieren kann der Künstler dabei nur die Kameraeinstellung und den gesamten Vorgang, nicht aber das Resultat, das je nach Überlagerung, Jahreszeit und Lichtverhältnis mal heller, farbiger oder dunkler ausfallen kann.

Die Ausstellung im Hauptraum entspricht mit ihren wenigen, klaren Werksetzungen einem sanften, eher leisen Ton, auch wenn das Werk Loud, Loud sich auf humorvolle Weise diesem Rhythmus etwas entzieht: Zentral auf die meterhohe und -breite Ausstellungswand ist die Replik eines Marshall-Lautstärkereglers montiert und wandelt diese auf einmal in einen skulptural anmutenden Architekturkörper. Und dies allein mit einem Marshall-Regler, der hier scheinbar in beide Richtungen nur auf die volle Lautstärke gedreht werden kann und ohnehin Inbegriff des (meist sehr lauten) Rocksounds der 1960er- und 1970er-Jahre ist.

In den oberen drei Ausstellungskabinetten herrscht eine Verdichtung von neueren und älteren Video-, Monitor- und 16-mm-Projektionen und — Arbeiten. Da ist zum einen Auto-scope; eine 16-mm-Projektion im Loop, das — gleichsam sich selbst filmend — eine rasante Fahrt durch einen 16-mm-Projektor zeigt und in schnellem Tempo den Blick nach oben gen Himmel und wieder zurück auf die umliegende verschneite Landschaft zeigt. Die irritierende Perspektive vermittelt dem Betrachter den Eindruck, als sei er selbst ein Stück Filmstreifen, der im meterhohen Loop — vergleichbar mit Vertigo — durch die Luft geführt und wieder in die Kamera hineinkatapultiert wird. Der Künstler spricht von einer «ausserkörperlichen Erfahrung», die in der Betrachtung dieser Szene möglich sei.

Das im benachbarten Raum installierte Werk Singularity spricht ebenfalls von der physischen Erfahrbarkeit einer 16-mm-Projektion, die — wiederum als Loop — diesmal durch den gesamten Ausstellungsraum über rund 50 Meter und zahlreiche kleine Spulen geführt und umgelenkt wird. Der Raum wird vermessen — scheinbar im doppelten Sinne, denn auch die kleine Projektion in der Raumecke zeigt ein Massband, das Zentimeter um Zentimeter die 50 Meter abschreitet.

Herrscht in der Ausstellung sonst der leise Ton der ratternden Projektoren vor, überraschen den Besucher beim Werk Shattered die fast schrillen Töne. Eine Projektion, die über eine sandgestrahlte Oberfläche in einem Moment ein zerspringendes Glas zeigt. Erneut wandelt Gutke gekonnt ein zweidimensionales, stehendes Bild bzw. eine lichte Fläche im Moment ihres scheinbaren Zerschellens in eine dreidimensionale, skulpturale Form. Und auch das sich im gleichen Raum befindliche Werk Draw (a picture says a thousand words) gibt den kurzen Augenblick des Verbrennens einer Streichholzschachtel und ihrer völligen Veränderung der Form wieder, während der Moment des zarten Verrauchens des Feuers noch lange nachklingt.
Text von Ines Goldbach

Die Ausstellung wurde grosszügig unterstützt durch die Partner des Kunsthaus Baselland: kulturelles.bl, Basellandschaftliche Kantonalbank, Gemeinde Muttenz, Migros Kulturprozent, werner sutter AG.

Parallel zur Einzelausstellung von Alexander Gutke fanden jene von Lara Almarcegui und Katharina Hinsberg statt.

Kurator*in: Ines Goldbach