Regionale 7
25.11.
—
31.12.2006
- Christine Camenisch
- Corinne Chotycki
- Pawel Ferus
- Enrique Fontanilles
- Christian Friedrich
- Eva Früh
- Rob Hamelijnck / Nienke Terpsma
- Dagmar Heppner
- Esther Hiepler
- Holliger/Bretz
- Ben Hübsch
- Patrizia Karda
- Tobias Kaspar-Sessler
- Valérie Kolakis
- Geneviève Morin
- Jens Reichert
- Hinrich Sachs
- Max Philipp Schmid
- Nele Stecher
- Céline Trouillet
- Mathis Vass
- Johannes Vetter
- Anita Weis
Regionale ist der Name einer alljährlich wiederkehrenden Ausstellung, anlässlich welcher zahlreiche Institutionen der Region seit einigen Jahren erfolgreich kooperieren. Der Event zählt inzwischen zu den bedeutendsten Ausstellungen des Dreiländerecks Schweiz, Frankreich und Deutschland.
Ziel ist es, der Künstlerschaft der Region eine Plattform zu bieten, ihr Werk welches aufgrund eines einzureichenden Dossiers von der Jury der jeweiligen Ausstellungshäuser ausgewählt wurde, zu präsentieren. Durchschnittlich bewerben sich knapp 600 Künstlerinnen und Künstler um die Teilnahme an der Regionale.
Eröffnung: Samstag, 25. November 2006, 18 H. Es sprechen Herr Regierungsratspräsident Urs Wüthrich-Pelloli, Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des Kantons Basel-Landschaft und Sabine Schaschl, Direktorin und Kuratorin Kunsthaus Baselland.
Die diesjährige Jury (bestehend aus Alexandra Blättler, Kuratorin Stiftung BINZ 39, Zürich und wissenschaftliche Mitarbeiterin Fotomuseum Winterthur, Burkhard Meltzer, Interimskurator Neue Kunst Halle St. Gallen und Sabine Schaschl, Direktorin und Kuratorin Kunsthaus Baselland) entschied sich, vielfältige Themen und Medien des künstlerischen Schaffens der Region für die Ausstellung auszuwählen. Als Kriterien für die Auswahl der Arbeiten bewertete das Gremium den zeitgenössisch adequaten Umgang mit dem verwendeten Medium sowie eine kohärente Umsetzung des künstlerischen Vorhabens. Die Ausstellung spiegelt die in den Dossiers dominierenden Tendenzen zu Malerei, Fotografie sowie Installation wider. Gemeinsam mit den KünstlerInnen wurde eine ortsspezifische Installation der Werke erarbeitet.
Bernhard Bretz (*1980) und Matthias Holliger (*1974) — das junge Künstler-Team aus Freiburg und Karlsruhe — reagieren in ihrer Arbeit spontan auf die im KHBL vorgefundene Raumsituation sowie auf die im umgebenden Raum platzierten Arbeiten weiterer Regionale 7-KünstlerInnen. Ausgehend von architektonischen Modulen, die an Wohnkuben erinnern, bauen Bretz/Holliger eine ortsspezifische Installation zwischen Skulptur und Architektur. Sie kreieren dabei ein Beziehungsgeflecht aus vorgefundenen Materialien.
Die Basler Künstlerin Christine Camenisch (*1956) zeigt ihre jüngste Arbeit Projektion 21 mit vier Diaprojektoren, welche farbige Lichtflächen, gleich erhellten Fensterfronten, an die Wand werfen. Der Raum gerät durch die Rhythmisierung der Dia-Bilder, welche sich zwischen scharf und unscharf hin- und herbewegen, in Schwingung. Die eintretenden BesucherInnen fügen durch ihre als Schatten auftauchende Silhouette ein weiteres Bewegungselement hinzu.
Die in Karlsruhe lebende Französin Corinne Chotycki (*1980) präsentiert unter dem Titel Bas reliefs ein als Sammlung installiertes Ensemble von Einzelarbeiten in den Techniken Malerei, Zeichnung und Relief, welches die unterschiedlichen Stile hervorhebt und trotzdem als Ganzes zu lesen ist. Ausgangspunkt ihrer Arbeit sind Zitate aus der Kunstgeschichte, insbesondere der Avantgarde der 20er-Jahre, beispielsweise die Skulpturen aus flachen Metallplatten von Anton Pevsner. Die gemalten Motive entstehen aus dem Zusammenspiel von älteren, übermalten und teilweise wieder freigelegten ebenso wie neu hinzugefügten Partien. Die Künstlerin versteht die Malereien als Objekte aus Sperrholz.
In Pawel Ferus‘ (*1973) Arbeit concrete DVD eignet sich der Künstler das Vokabular der bekannten Künstlerin Sarah Lucas an. Die Arbeit ist keine Kopie eines ihrer Werke, sondern arbeitet mit dem Fetisch-Potential der von ihr verwendeten Bildsprache. Der Künstler appropriiert in der zum Werk gehörenden Beschriftung die Typographie und das Layout der bei der Art Basel verwendeten Beschilderung und wirft dabei Fragen nach der Autorschaft und dem Copyright auf. Die Bodenarbeit 9 Selbstportraits bestehend aus Marmorplatten greift auf das T9-Schreibsystem der Mobiltelefone zurück, mit dessen Hilfe Ferus in den verschiedensten Sprachen seinen Namen eintippte. Das Resultat ist ein Konvolut diverser Sprachfetzen, die an die Babylonische Sprachverwirrung erinnert und gleichzeitig ein Clin d’oeil mit den in Zement gemeisselten Star-Namen und Handabdrücken evoziert.
Enrique Fontanilles (*1951) hat eigens für die Ausstellung eine Performance konzipiert, die er mit aus dem Internet heruntergeladenen und vergrösserten Bildern ergänzt. Am Tag der Vernissage reproduziert der Künstler im Gespräch mit dem Publikum das historische Bild, welches den Erfinder des im 2. Weltkrieg verwendeten V2 Bombers, Wernher von Braun zeigt, der jenes Flugzeug dem amerikanischen Zeichentrickfilmer Walt Disney anhand eines Modells erklärt. Im Gegensatz zum historischen Flugzeugmodell verwendet Fontanilles ein Modell des heutigen, auch mit Radar nicht sichtbar zu machenden ‹Tarnkappenbombers›. Mit der dazugehörigen Einladungskarte und den Internetbildern, die mit den Bezeichnungen ‹Mekka›, ‹Abugrahib›, ‹Western Wall› und ‹Eurodisney› — allesamt enklavisch geschützte Orte — versehen sind, provoziert der Künstler eine Thematisierung über die gegenseitigen Verstrickungen von Politik, Religion und Wirtschaft, denen wir allesamt nicht entkommen.
Christian Friedrich (*1977) beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Denkmodellen, welche aus Kommunikationsstrukturen stammen. Wie funktioniert Meinung? Wie Urteilsfindung? Kann Transzendenz sichtbar gemacht werden? Was bedeutet dabei Abstraktion und woher überhaupt wird abstrahiert? Fragen wie diese umkreisen seine künstlerischen Werke, welche er von komplexen, von einer Glaubens-philosophie geprägten Gedankengebäuden aus entwickelt. Die Installation Mechanical Truth besteht aus grossformatigen Zeichnungen und einer freistehenden gelb lackierten Stahlskulptur, die an Anthony Caro erinnert und als eine Hommage an den englischen Bildhauer verstanden werden kann. Friedrich thematisiert darin die generelle Möglichkeit einer ‹freien Skulptur›, an die er letztlich jedoch nicht glaubt. Vom Modell einer Grafik ausgehend hat der Künstler mehrere Varianten abgeleitet. Jede der Zeichnungen verhält sich dabei im Spannungsverhältnis von «logischer Legitimität der Herleitung und freier Setzung.» Friedrich hat ein Modell geschaffen, bei dem es um ein Ineinander-Verwoben-Sein von ‹wahren› und ‹falschen› Aussagen geht. Die Arbeit o.T. (1/3 Types) ist ein aus Winkelprofilen geschweisster Quader, der sich an die Wand anlehnt und dadurch eine psychologische Dimension erhält. Die Oberkante hält ein paar lose Seiten Papier an die Wand festgedrückt, welche u.a. Skizzen ihrer eigenen Entstehungsgeschichte zeigen.
Die Objektinstallation mit dem Titel I’M The Story! I'M the Star, You Know! Satya Sai: Vibhuti — Jewels By My Vanity — Flowers Up To The Saint Becoming A Glittering Garden rekurriert auf das Glaubensphänomen des in Indien lebenden Gurus Satya Sai Baba, von dem gesagt wird, dass er als Inkarnation Gottes übernatürliche Kräfte besitzt und u.a. heilige Asche und Schmuckstücke nach den Vorstellungen der Gläubigen materialisieren kann. Der Künstler greift dieses Glaubensphänomen auf und setzt es in seiner bühnen- bzw. altarartigen Skulptur insofern um, als er der zu materialisierenden Asche, Reisteller gegenüberstellt, die der Guru vermeintlich materialisiert hat. Die Kunststoffkette des amerikanischen Musikers Jay-Z, als Äquivalent zu den potentiell materialisierbaren Schmückstücken, besorgte er in einem Hip Hop-Laden. Der Künstler schreibt dazu: «Satya Sai hätte mir wohl diese Kette materialisieren müssen, hätte er sich nach meiner Vorstellung richten können.» Das Glaubenspotential der Anhänger Satya Sais, versucht Friedrich gleichermassen mit Witz und Ernst künstlerisch zu imitieren, um gleichsam die Entscheidungsfragen für einen Glauben an das Übernatürliche zu thematisieren, von wo aus er einen Brückenschlag zur Kunst unternimmt. «Meine Bühne als Erfahrungshorizont für das Altar-Möbel versucht durch die simple Beobachtung, dass es Menschen gibt, die hinsichtlich Glaubensfragen kategorisch entweder zu positiven oder negativen Urteilen neigen, eine Metaphysik für die Möglichkeit der Erfahrung von Glaubensgegenständen einzuführen.» (Friedrich) Er weist zudem darauf hin, dass «der metaphysische Rationalismus sich einst daran tat, die Existenz Gottes rein begrifflich und nicht aufgrund von Erfahrung zu beweisen.»
Eva Früh (*1969) präsentiert ihre als Block von 77 A-4 Zeichnungen inszenierte Arbeit Gesundheitsamt. In Form von einzelnen detailreichen Stilleben entstehen aus dem Gesichtswinkel des Betrachters jene Räumlichkeiten, die wir zu kennen glauben: Topfpflanze, Kabelsalat unter dem Bürotisch, Karteikästen, Ablagekörbe, Ordnerrücken, Untersuchungsliege, technische Hebevorrichtung, Vorhang-Lamellen-System, medizinische Waage, Deckenbeleuchtung einerseits, verschiedenste Kerzenleuchter, Dekorelemente, Skulpturen, Kanzel und Altäre andererseits. Obwohl als Block gehängt, muss der Betrachter seinen Blick vor jedem einzelnen Zeichnungsblatt neu justieren.
Das niederländische Künstlerpaar Rob Hamelijnck / Nienke Terpsma, aus Rotterdam mit iaab-Atelieraufenthalt in Basel, publiziert seit Dezember 2003 — gedruckt oder on-line — die A3-Zeitung (gefaltet auf A-5) Fucking Good Art auf rosarotem Papier. Als Plattform für Künstler, Kunstkritiker, Filmer, lädt die Zeitung zu Reflektion und Kritik über lokale und internationale kulturelle Happenings jeglicher Art ein. Im Kunsthaus Baselland applizieren die Künstler ein Foto eines typischen Galerie-Büros auf die Wand, welches u.a. in Karton geordnete Materialien zu KünstlerInnen enthält. Die Arbeit thematisiert die Selbstrepräsentation von Ausstellungsräumen ebenso wie jene von KünstlerInnen anhand von Druckmaterialien. Platziert gegenüber dem Bürobereich des Kunsthaus Baselland hinterfragt das Foto ebenso die visuelle Empfangssituation der Institution.
Die Fotografie Le parapluie von Dagmar Heppner (*1977) geht zurück auf den Besuch der Künstlerin in der Baldessari-Ausstellung bei der Pariser Galerie Marian Goodman. In einer Blitzaktion platziert sie ihren mit roten, blauen und gelben Punkten und Flächen versehenen Regenschirm neben das Bild Baldessaris, welches v.a. durch das gelbe Dreieck auffällt. Die Künstlerin nimmt in ihren Werken immer wieder Bezug auf andere Künstler bzw. auf ihre persönlichen Idole der Kunstwelt. John Baldessari, der das Nachdenken über Kunst zum Gegenstand seiner Werke machte und Kunst immer wieder grundsätzlich hinterfragte, wird von Heppners ironischem Eingriff nicht nur zitiert, sondern in Form eines ideellen Schulterschlusses zum Komplizen gemacht — geht es doch beiden um grundsätzliche Fragestellungen nach Farbe, Fläche, Form, Komposition. Der ohnehin verschleierte Inhalt des Baldessari Bildes erfährt durch Heppners fotografisch festgehaltener Kurzaktion eine neuerliche Abstrahierung.
Zurück aus Kanada zeigt Esther Hiepler (*1966) erstmals die 15-teilige Foto-Serie siedeln, entstanden auf mehreren Reisen während ihres Übersee-Aufenthaltes. Verschiedenste Behausungen, die marode Hütte, die improvisierte Zeltkonstruktion, die liebevoll gehegte my-home-is-my-castle-Bleibe einerseits, Pfade, isolierte Treppenkonstruktionen, Tribünen, Ausgucke andrerseits zeugen von vergangener menschlicher Aktivität. Zurückgelassen werden sie selbst Teil der Landschaft, schwindende Spur, vom mächtigen kanadischen Wald in absehbarer Zeit aufgesogen.
Vom Künstler Ben Hübsch (*1963) leuchtet dem Besucher das runde Wandbild B 246 entgegen. Die vierteilige Malerei auf Hartfaserplatte ist ein riesiges Kaleidoskop bunter, ornamental verflochtener Farbbänder, welche aus dem Zentrum sich spiralförmig, scheinbar endlos gegen die Ränder hin ausbreiten. Wie ein Schleier legen sich wellenförmige Farbbänder über darunter liegende Farbstränge, was beim Betrachter den trompe-l‘oeil-Effekt einer gewölbten Oberfläche auslöst. «Ben Hübsch gelingt mit seiner grosszügigen Ornamentik eine äusserst vitale Malerei, die ihre geometrischen Grenzen in der Farbbewegung überwindet.» (Martin Schick)
Patrizia Karda (*1973) greift in ihren fotografischen Arbeiten installativ auf Räume ein. Sie hebt Vorhandenes hervor oder transformiert es mittels einfacher Materialien wie Dachlatten oder Kartons. Den Galerie-Raum verwandelt sie mit ihrer Installation Fumaroles in eine einsame, in Nebel eingehüllte Felsenlandschaft, welche in ein Hochplateau zu münden scheint. Der mit Karton ausgelegte Boden mit leichter Anhöhe geht in das projizierte Landschaftspanorama mit weiteren Projektionen über, teils als Standbild, teils mit wechselnden, den aufsteigenden Nebel rhythmisierenden Bildern. «Die Strukturen der Berglandschaften empfinde ich als Reduzierung und Abstraktion von Architektur», schreibt die Künstlerin und erweckt mit ihrer Installation Reminiszenzen an Caspar David Friedrichs Mann über dem Nebelmeer.
Tobias Kaspar-Sessler (*1984) realisiert im Rahmen der Ausstellung eine neue Zusammenstellung vorhandener Bilder und Objekte, mit denen er bereits gearbeitet hat, ergänzt mit ausgesuchten Fundstücken und neu angefertigten Materialien. So sind in der Diaprojektion die Bildschirmschoner-Motive von Apple-Computern eingespeist, welche die Bewegung am Bildschirm durch jene des Dia-Karussells ersetzt und so das Fliessen der Motivbewegungen verzerrt.
Die Kanadierin Valérie Kolakis (*1966), derzeitige iaab-Stipendiatin in Basel, appliziert für ihre Arbeit Almost Familiar Place Vaseline auf die Scheiben des Eingangsbereichs, welches sie nach den Mustern von Spitzendecken und -vorhängen wieder herauslöst. Die vordergründig an idyllische, familiäre Räume erinnernde Installation bekommt durch die verunmöglichte Zuordnung des Räumlichen etwas Unbehagliches. Gleichzeitig aussen und innen, verhindert die Durchsichtigkeit einen eindeutigen räumlichen Fokus und lässt den Betrachter sich mit sich selbst verlieren.
Geneviève Morin (*1963) präsentiert ein Ensemble von drei Öl-Bildern. Die Titel evozieren eine märchenhafte Fantasy-Welt, mit der Natur und den Tieren als Hauptprotagonisten: Der Eisbär, Roi de Glace, hütet scheinbar die unendliche Eiswelt mit ihren kostbar blinkenden Kristallen; La belle au bois, schläft sorglos im Schutze der Natur; das Murmeltier, Marmotte, taucht aus seiner farbigen Unterwelt empor. Morins Gemälde thematisieren Anwesendes und Abwesendes zugleich. Ihre Bilder lassen in den dunklen, unformulierten Hintergründen und in den Leerräumen an Unheimliches und Unbewusstes denken.
Die meist verwendeten Materialien in den Werken von Jens Reichert (*1967) sind Sperrholz, Lack, Leim, Pigment. Basierend auf den geometrischen Grundformen Kugel, Dreieck, Quadrat schafft der Künstler voluminöse Hohlformen oder flächige Objekte, welche dem Betrachter gleichzeitig bekannt — aufgrund der Form — und fremdartig — aufgrund der Materialität — vorkommen. Die sinnliche Ausstrahlung der Oberfläche verführt zum Berühren. Für die Ausstellung installiert der Künstler die Werke Oval und Tafelbild, welche als Gesamtinstallation sowohl ein Augenzwinkern auf Duchamps ‹Pissoir› hervorrufen, als auch eine generelle Auseinandersetzung mit der geometrisch abstrakten Kunst bedeuten.
In seiner Arbeit ohne Titel (Selbstdarstellung) präsentiert Hinrich Sachs (*1962) das Modell eines schwarzen VW Golf Cabrio, der anlässlich der Abiturprüfung von seinem(-r) Eigner(-in) über und über mit Sprüchen bemalt wurde. Der Künstler greift mit dieser Arbeit das Thema des gesellschaftlichen Rituals auf. Am Übergang zwischen dem Jugendlichen- und Erwachsenen-Dasein gilt die bestandene Matura als Zeichen zur Erlangung einer gesellschaftlichen Reife, welche häufig mit dem Geschenk eines eigenen Autos belohnt wird. Die mit Filzstift auf das Auto gemalten Sprüche, wie «don’t wear Chanel» oder «we are simply the best» sind Ausdrücke von Haltung ebenso wie Freudensausdruck.
Die 8-Kanal-Videoinstallation Helden von Max Philipp Schmid (*1962) zeigt Filmausschnitte aus verschiedensten Western und Film Noirs in ca. 1 Sekunden Länge. In der Montage wurden Bild und Ton so zerlegt und wieder zusammen-gesetzt, dass das Bild vibrierend erscheint. Einzig die Augen bleiben fixiert und starren auf ein und denselben Punkt. Der Künstler erzielt mit diesem Kunstgriff eine Hinterfragung der männlichen Heldenfigur: Deren mimischer Ausdruck tritt in einem spezifischen Moment auf der Stelle und legt dabei verborgene Emotionen, wie Aggression, Angst, Verletzbarkeit oder Resignation frei. In der Anordnung der Monitore werden die Emotionen der Einzelporträts im Gefüge zueinander noch verstärkt.
Auf der Basis ihrer persönlichen Familiengeschichte betreibt Nele Stecher (*1970) im Projekt Die Bitte eine Form von Familien-Inszenierung, welche mit Fotografie und Text arbeitet. Sie bat ihre Eltern, zu einigen Fotos aus dem Familienalbum ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Dafür überreichte sie ihnen zwei Umschläge mit jeweils denselben Bildern und sammelte sie anschliessend mit den jeweils persönlich gefärbten, unterschiedlichen Erinnerungen wieder ein.
Die Video-Künstlerin Céline Trouillet (*1975) aus Colmar zeigt in ihrer Arbeit Song no 4 eine Frau im Superhelden-Kostüm, die auf einem Trampolin auf- und abhüpft und gleichzeitig unablässig die Worte «Aller plus haut» eines populären französischen Chansons auszusprechen versucht. Trotz grösster physischer Anstrengung erschöpft sich die Stimme, während der Körper seine Kraft behält und keine Erschöpfung zeigt. Das Video ist unterlegt mit der Instrumentalversion jenes Chansons.
In der komplett verdunkelten Koje auf der Galerie präsentiert Mathis Vass (*1971) die Installation Interstellares Treibgut. Dabei schweben zwei Mobiles mit verschiedengrossen Gesteinsbrocken im Raum. Aus den grössten tönen Signale, die an ein schlecht eingestelltes Radio erinnern. Im Hintergrund sind mehrere, verschieden grosse und mit UV-Reflektierfarbe ‹gemalte Zeichnungen› angebracht, die zusammen mit den Mobiles eine Art ‹Alien›-Landschaft schaffen — ein poetischer Fake des grenzenlosen Universums auf engstem Raum?
Von Johannes Vetter (*1979) wurden durch die Jury die beiden Porträts Der Spieler (Florian) und Black Lady (Daniela Baldelli) ausgewählt. Der Künstler greift Motive aus seinem persönlichen Umfeld auf, dessen Codes ihm bestens vertraut sind. So repräsentiert Black Lady nicht nur den unkomplizierten Lifestyle einer jungen Generation, sondern persifliert gleichzeitig auch das gängige Vernissage Publikum, welches sich in erster Linie an den Gratisgetränken erfreut. Der Spieler wiederum trägt alle Insignien einer aktiven Jugendkultur, vom Coca-Cola Getränk, über Tatoos, selbst gedrehte Zigaretten bis hin zur Maskierung in Anlehnung an die Musikband Kiss.
Anita Weis (*1971) präsentiert zwei Acryl-Malereien, o.T. und XX. Bereits in der Titelgebung von XX wird angedeutet, dass ein bestimmtes Etwas gemeint ist, ohne dies jedoch näher zu definieren. Die Künstlerin geht für ihre Malereien von Fotografien aus, die nicht in ihrer fotografischen Qualität bestimmend sind, sondern hauptsächlich von der Motivik und den Details aus betrachtet das Interesse der Künstlerin wecken. Bei der Übersetzung ins Medium der Malerei reduziert die Künstlerin die Farbkontraste auf Hell- und Dunkelwerte, die wiederum von einer Art Lichtregie geführt werden. «Mit der Auswahl von technisch misslungenen Photos oder Schnappschüssen rettet die Künstlerin diese an sich bereits verfremdeten Motive in eine neue Wirklichkeit hinein, und durch die malerische Umsetzung erschafft sie eine neue Bildwahrheit, die dem Betrachter visuelle Freiräume gibt. Die Wahrheit des Photos wird auf diese Weise relativiert und schließlich ist es gar nicht mehr der Gegenstand, den Weis abbildet, sondern das bearbeitete Abbild, im Grunde also etwas Ungegenständliches.» (Antje Lechleiter)