Thomas Baumann

5.4.  —
4.6.2008

Balancing the Wrong and the True…

Baumann Thomas E 2008 1
Thomas Baumann, Asilver, 2007
Baumann Thomas E 2008 2
Thomas Baumann, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008
Baumann Thomas E 2008 3
Thomas Baumann, Taktloses Stück, 2008
Baumann Thomas E 2008 4
Thomas Baumann, A Light Carpet Roller, 2006/2008
Baumann Thomas E 2008 5
Thomas Baumann, Taktloses Stück, 2008

Thomas Baumanns (geb. 1967 in Salzburg, lebt in Wien) künstlerisches Schaffen charakterisiert sich durch eine Methode der Vernetzung und Zirkulation von Kunstgattungen und einer kritischen In-Frage-Stellung von Werten bzw. Wert- und Formsystemen.

Mit seinen elektronischen Skulpturen, den maschinell gefertigten Malereien, den Filmen und Installationen, die dem Besucher einen Handlungsraum bereiten, sucht er nach strukturellen Berührungspunkten von materiellem und mentalem Raum. Die Ausstellung Balancing the wrong and the true… ist die erste Einzelausstellung des Künstlers in der Schweiz. Baumann kann auf zahlreiche Ausstellungstätigkeiten verweisen, u.a. im Museum Moderner Kunst in Passau, in der Secession Wien oder in Gruppenausstellungen u.a. im Museum Tinguely, Kunsthaus Graz und im Haus Konstruktiv, Zürich.

Eine seiner raumgreifenden Skulpturen mit vorprogrammierten Partituren ist Asilver (1999/2008). Eine Silberfolie bewegt sich in bestimmtem zeitlichem Rhythmus: Sie öffnet sich, zieht sich zusammen oder dehnt sich aus. Die Skulptur verändert permanent ihre Form, zerstört die einmal gefundene, um eine neue aus sich zu generieren. Shape’n Shade for a Black and White Rope (2005) wiederum ist eine Arbeit bestehend aus schwarzem und weissem Seil, die über eine elektronische Steuerung ihre geometrische Komposition und ihre Farbgebung ändert. Sie erinnert an die abstrakte geometrische Malerei, ebenso wie an den Anspruch, Menschen unterschiedlichster Hautfarben einen gleichwertigen Existenz zu gewähren.

Die Installation Beam Statement (2007) ist von ihrer äusseren Form her als Balance bzw. als Schaukel lesbar. Im Gegensatz zur herkömmlichen Schaukel, bei welcher das schwere Gewicht nach unten zieht und gleichzeitig das leichte nach oben hebt, gibt Beam Statement vor, alles auf dieser Schaukel Platzierte ins Gleichgewicht zu pendeln. Die Arbeit bringt symbolisch gesprochen — alles ins Gleichgewicht und scheint die Welt ins Lot zu bringen. Thomas Baumann spricht in diesem Werk soziale, ökonomische und gesellschaftliche Wertsysteme an und regt ein Überdenken an.

Eine Reihe von in der Ausstellung gezeigten Werke bezieht akustische Elemente mit ein. Die Arbeit Play the Door of Psycho (1998/2005) ist von ihrer Form her eine Tür, auf der jedoch «gespielt» werden kann, indem der Verstärker aufgedreht und die Saiten gezupft werden. Ein bekanntes Alltagsobjekt wird zweckentfremdet und in einem neuen Kontext zum Instrument. Die Installation bzw. das Setting Pas Trop (1993) besteht aus Eisenringen, die an einer Stelle durchgeschnitten sind. Dieser vermeintliche Fehler ermöglicht dem Rezipienten die Formen zu bewegen und ein Zusammenschlagen der Endteile zu provozieren. Dieses vehemente Geräusch zieht als Erkennungs- und Kommunikationszeichen durch die Ausstellung. Die Ringe verändern ihren Standort und erzeugen in einem Zufallsprinzip Geräusche. Die neueste Arbeit Das taktlose Stück (Arbeitstitel, 2008) entstand zusammen mit dem Wiener Pianisten und Dirigenten Michael Klaar. Hier diente die Hammerklavier-Sonate Beethovens als Ausgangsmaterial. Beethoven verzichtete in einer Passage auf Taktstriche und fügte nachträglich zwei Töne ein. Diese beiden Eingriffe ermöglichen einen experimentellen Umgang mit der Komposition. Baumann setzt, obwohl Beethoven nie für Orgel komponiert hatte, Orgelpfeifen ein, die anhand der elektronischen Partitur jene «taktlose Passage» und die zwei nachträglich eingefügten Töne interpretieren. In gleicher Weise folgt A Light Carpet Roller (2006/2008) einer elektronischen Partitur, welche die Farben der RGB Farbskala computergesteuert mischt, wodurch ständig sich verändernde Farbräume erzeugt werden.

Eine neue Seilarbeit, platziert am Boden des Ausstellungsraumes, ermöglicht es den BesucherInnen dem sinnlichen Erleben, ein haptisches hinzuzufügen. Wer die Schuhe auszieht, kann über die mit Seilen gelegten Bahnen laufen — ganz im Sinne einer Balanceübung oder eines Massageeffektes à la Kneipp. Das in der Nähe laufende Video KEI.L.E. (1991) zeigt, wie BesucherInnen einer anderen Ausstellung auf Eisenkeilen liefen. Thomas Baumann hat hier im weitesten Sinne eine Bodenskulptur geschaffen, welche die Begehbarkeit einer Carl André Skulptur zum Balanceakt macht. Im Vergleich zu Beam Statement wird bei dieser neuen Arbeit nicht nur symbolisch ausbalanciert, sondern hier handelt es sich um einen persönlichen Beitrag zur Ausübung und zum Halten eines fragilen Gleichgewichts. Im Sinne einer veränderten Auffassung von Interaktivität bzw. Wahrnehmung des Betrachters bezieht Thomas Baumann die Rezipienten unmittelbar in seine Arbeit ein.
Text von Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl