The Israeli Center for Digital Art / Mobile Archive

B'Tselem Video Project and HEB2

21.9. —
16.10.2011

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The Mobile Archive, 2011, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland, Dreispitz 2011, Foto: Kunsthaus Baselland
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The Mobile Archive, 2011, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland, Dreispitz 2011, Foto: Kunsthaus Baselland

Eine der wichtigsten israelischen Institutionen für digitale Kunst ist das Israeli Center for Digital Art, dessen mobiles Archiv während der Ausstellung im Kunsthaus Baselland „im Dreispitz“ in Basel zu sehen ist. Das Israeli Center for Digital Art hat zusätzlich zwei Gäste aus dem Westjordanland eingeladen, das B’tselem Video Project und HEB2, die am Sonntag, 25. September 2011, von 13-17 Uhr, ihre Arbeiten präsentieren.

Das Israeli Center for Digital Art in Holon ist eine dynamische Plattform zur Untersuchung, Produktion und Analyse zeitgenössischer Kunst. Gleichzeitig ist es ein Treffpunkt zum Austausch zwischen zeitgenössischen KünstlerInnen, Kuratoren und der Öffentlichkeit. Das Zentrum ist eine Non-Profit-Organisation, welche von der Stadt Holon untestützt wird. Als öffentlicher Kunstraum befragt es intensiv Kunstorte und Kunstinstitutionen innerhalb der Gesellschaft. Dies bringt es mit sich, dass auch politische und soziale Kontexte zur Kunst nicht fehlen. Im Bestreben, diesen Diskurs innerhalb der israelischen Gesellschaft voranzutreiben, widmet das Zentrum einen erheblichen Anteil auf Kunstprojekte, welche auf Fragen von Identität, Ethnizität, Nationalismus und kulturellen Austausch fokussieren.

Das Israeli Center for Digital Art ist der erste Ausstellungsraum, welcher sich der medialen Kunst widmet. Das Video Archiv des Zentrums erleichtert für Wissenschaftler, Kuratoren, Studenten und Kunstliebhaber den Zugang zur medialen Kunst. Es umfasst ca. 2500 Titel, inklusive Video-Kunst, Ton-Kunst, Film, Dokumentationen von Performern und Installationen, welche im Zentrum gezeigt wurden, ebenso wie andere Werke von führenden israelischen und internationalen Künstlern. Viele dieser Werke reflektieren thematisch die kuratorische Linie des Zentrums über Fragen zu Identität, Militarismus und Nationalismus und anderen sozio-politischen Themen, welche für unsere Region relevant sind.

Das Mobile Archive ist eine ‹wandernde› Version des Holon’schen Archivs. Seit den vergangenen vier Jahren reist es durch die Welt und wurde – vor Basel – an rund 12 verschiedenen Orten in Amerika und Europa gezeigt. Als flexibles Projekt ist das Mobile Archive darauf ausgerichtet, sich jedem Gastgeber bzw. jedem Ausstellungsort und Publikum anzupassen, weshalb keine Präsentation der vorangegangenen gleicht. Jede Gastinstitution kann ihrerseits Werke in die Original-Sammlung einbringen, und die gesamte Sammlung in der auf diese Art erweiterten Version weiterschicken, sodass die Sammlung von Station zu Station stetig wächst. Das Projekt wurde von Eyal Danon, Galit Eilat (The Israeli Center for Digital Art) und Eva Birkenstock (Kunstverein Hamburg) initiiert.

Während der Präsentation des Mobile Archive im Kunsthaus Baselland im Dreispitz am 25. September 2011, wird Eyal Danon, Direktor des Israeli Center for Digital Art, über das Projekt des Mobile Archive sprechen, über dessen Beziehung zu den Aktivitäten des Israeli Center for Digital Art und über die Wahl, die Archive von B’Tselem Video Project und HEB2 einzuladen als Teil der in Basel gezeigten Ausstellung.

HEB2 ist eine audio-visuelle Produktions- und Forschungsinitiative in und über die geteilte Stadt Hebron, West Bank – speziell innerhalb des militarisierten, von Israelis kontrollierten Sektors, bekannt als H2. Als eine einzigartige politische, geografische und demographische Einheit in der Region, ist H2 Hebron Heimat einer Enklave von radikalen jüdischen Siedlern eingegraben inmitten einer vorwiegend arabisch-muslimischen Bevölkerung. Wohl einer der gewalttätigsten, unberechenbarsten Reibungspunkte im israelisch-palästinensischen Konflikt, ist H2 Hebron Brennpunkt der am häufigsten gegeneinander antretenden nationalen, religiösen und territorialen Agendas. Seit nunmehr vier Jahren setzt sich das HEB2 Projekt zum Ziel, zu dokumentieren, sich zu engagieren, ebenso wie zu intervenieren zwischen den politischen, kulturellen und räumlichen Beziehung von Arabern und Juden. HEB2 wendet eine Reihe von untereinander verbundenen künstlerischen Vorgehensweisen an: live, als Fernsehsendung basierend auf dem Web, ‹amateur-› Video Produktionen zusammen mit den Bewohnern entstanden, räumlich architektonische Interventionen; sowie Fotografie, als ‹archäologische› Untersuchung. Alle diese verwendeten Mittel und Medien zielen als Methoden auf eine visuelle und menschliche Kartierung ab, d.h. sowohl spezifisch historisch, wie auch exemplarisch in einem erweiterten, nationalen und globalen Sinn.

Der Kern des Projekts besteht in der Etablierung eines Media Zentrums für die Bewohner in einem verlassenen palästinensischen Haus gleich neben der Tel Rumeida-Siedlung in H2. Früher als Armee und Heckenschützenposten genutzt, dient das Zentrum heute als Übungsort für Video-Workshops und Seminare ebenso wie als Raum für nachbarschaftliche Aktivitäten des Gemeinwesens. Das HEB2 Zentrum ist auch die Adresse für zwei HEB2 Video-Plattformen: HEB2.TV, einem online streaming Kanal, der ab und an live Übertragungen aus H2 Hebron zeigt; und Hebron Home Movies, über welches HEB2 mit lokalen palästinensischen Bewohnern zusammen arbeitet bei der Herstellung ihrer eigenen Video Filme. Aus diesen beiden Projekten resultierte ein weitgefasstes Video-Archiv, welches vier Jahre und mehr als dreissig Beiträge umfasst — eine einzigartige Dokumentation des politischen, kulturellen und individuellen Lebens im heutigen Hebron.

Künstlerstatement von Mich’ael Zpraner: Für mich persönlich zeigt die Wahl, auf H2 Hebron zu fokussieren, teilweise die Anziehungskraft des Extremen auf. Angesichts des Wiederaufflammens der gegenseitigen arabisch-jüdischen Gewalt und der lähmenden israelischen Militärpolitik, ist das heutige, post-Intifada H2 Hebron eine schwer militarisierte, entvölkerte Zone. Palästinensische Bewohner, durch offenen oder indirekten Druck dazu gezwungen, sind aus vielen Häusern, Geschäften und Strassen im Umfeld jüdischer Siedlungen geflohen und haben im Zentrum eine Geisterstadt zurückgelassen. Wenn man dies so betrachtet, scheint Hebron allegorisch, ja prophetisch — ein worst-case-Szenario für andere gemischte Städte (wie z.B. Jerusalem oder Akko) und eine albtraumhafte Vision der arabisch-jüdischen Co-Existenz auf lange Sicht hin. Sieht man über den israelisch-palästinensischen Konflikt hinaus, kann H2 Hebron auch als Ausschnitt einer Konfliktsituation wahrgenommen werden von globalen, realen oder vermeintlichen Negierungen – die entwickelte Welt und der Westen; der Islam und die judäisch-christliche Tradition; kolonialistische Expansion und anti-kolonialistischer Kampf; undsofort.

Ich jedoch sehe Hebron jenseits solch dichotomischer Interpretationen als einen viel nuancierteren, sehr seltenen Schauplatz genau dieser Widersprüche und ihrer Träger. Tägliche, individuelle Interaktionen zwischen Arabern und Juden in Hebron — Zivilisten, Siedlern, Soldaten und Künstlern gleichermassen — erweisen sich als viel zahmere, viel komplexere Austauschmomente als man erwarten würde. Widersprüche und Konflikte werden dauernd ausgetragen; jedoch vielmehr als zum äussersten, gehen sie nur so weit, bis sie sich selbst entlarven. Ein solches ‹Laboratorium›, wo israelisch-palästinensische Inteaktionen zu beobachten sind, kann – ironischerweise — nirgendwo ausserhalb der Stadt gefunden werden; die besetzten Gebiete werden immer mehr abgeschottet, die Okkupation immer steriler, unpersönlicher. Hebron verfügt — trotz der rigiden Rassenpoitik, welche die Bewohner voneinander trennt — immer noch über ein Potenzial für zwischenmenschliche Beziehungen, ein ehrlicher wenn auch oft schmerzhafter diskursiver Raum zwischen den beiden sich bekämpfenden Bevölkerungsteilen. Genau an diesem Schnittpunkt der subjektiven individuellen Erfahrung und zwischenmenschlichen Interaktion arbeite ich, sie ist mein Fokus, und — so glaube ich — ist am aussagekräftigsten was die weiterführenden Zusammenhänge zu Hebrons Lage betrifft.

Präsentation im Kunsthaus Baselland: Mich’ael Zupraner, Co-Begründer und künstlerischer Direktor von HEB2, wird über seine Erfahrungen sprechen zum Leben und Arbeiten in H2 Hebron, über seine Auswahl für die Ausstellung im Kunsthaus Baselland im Dreispitz. Er wird auch eine kurze Auswahl der jüngsten Produktion des Projekts zeigen.

Über das B’Tselem Kamera Projekt: 2007 lancierte die Video Abteiung von B’Tselem das Kamera Projekt, bei welchem die Organisation Video Kameras an Palästinenser verteilte, die im Gebiet der West Bank, Ost Jerusalem und im Gaza Streifen leben. Mittels Kamera wird es den Bewohnern möglich, den Israelis und einem internationalen Publikum ihre alltägliche Realität zu zeigen und gleichzeitig Verbesserungen ihrer Situation zu ermutigen. Das Projekt ist insofern einzigartig, als es den Palästinensern erlaubt, selbst die Einschränkungen ihrer Rechte zu dokumentieren und ihr tägliches Leben, ihre Wut, ihren Schmerz, ihre Freue und Hoffnung den Israelis zu zeigen, die so nah und doch so fern von ihnen leben.

Hunderte von Freiwillige filmen eine Realität, welche dem israelischen Publikum meist völlig unbewusst ist. Das Video-Bildmaterial, zusammen mit jenem der an neuralgischen Punkten der Gewalt installierten Sicherheitskameras, verschaffen noch mehr Dokumentation. Das unerlaubte Festhalten eines gefesselten palästinenschen Demonstranten mit verbundenen Augen, tägliche Belästigungen durch Siedler in Hebron, Überfälle auf palästinensische Farmer in den südlichen Hügeln Hebrons, sowie Armee Übergriffe in Qualqiliya sind nur ein paar der Ereignisse, welche dank diesem Projekt bereits gefilmt und weiterverbreitet wurden. Das Bildmaterial von Freiwilligen wird oft von Israelis und den internationalen Medien verbreitet, und legt einem grossen Publikum Ereignisse offen, die früher verschwiegen wurden. B’Tselem verwendet das Bildmaterial als Basis für ihre Beschwerden gegenüber der Armee und der Polizei, wenn Verdacht auf Gesetzesübertretungen durch die Sicherheitskräfte besteht. In manchen Fällen verschafft das Bildmaterial den notwendigen Beweis bei Verfolgungen durch das Gesetz. In wenigen Fällen trug die Verbreitung des Bildmaterials zu tatsächlichen Verfahrensänderungen bei.

Präsentation im Kunsthaus Baselland im Dreispitz: Anlässlich ihrer Präsentation am 25. September 2011 im Kunsthaus Baselland im Dreispitz werden Noam Raz und Iyad Haddad, Feldforscher und Citizen Journalist für B’Tselem eine Einführung geben zu B’Tselems pragmatischem Modell von bürgernahem Journalismus und den verschiedenen Wegen wie Video genutzt wird, um legale Berichterstattung zu ermutigen, Regierungspolitik zu beeinflussen und eine Debatte in einer Konfliktgesellschaft zu entfachen. Sie werden verschiedene Beispiele von Filmmaterial zeigen,welches täglich von Freiwilligen in allen Teilen der West Bank und des Gaza aufgenommen wird, das von unterirdischen Höhlengrabern in Süd-Hebron welche Zusammenstösse mit Siedlern filmen, bis zu Filmmaterial von Bürger-Journalisten reicht, welche den Volksprotest gegen die Trennmauer in Bil’n dokumentieren. Iyad Haddad, der in der Gegend von Ramallah wohnt und die Proteste von Nahem verfolgt, wird einiges von seinem eigenen Filmmaterial zeigen. Mit der Nutzung einer weiten Bandbreite von Videos wird die Präsentation einen intimen Einblick in die derzeitige Menschenrechts Realität in den besetzten Gebieten zeigen, sowie in den palästinensischen Alltag unter der Okkupation.
Text von The Israeli Center for Digital Arts und Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl