Michael Bauer

Anthem

25.4. —
28.6.2009

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Michael Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2009
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Michael Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2009
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Michael Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2009
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Michael Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2009
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Michael Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2009

Die Ausstellung Anthem ist die erste institutionelle Ausstellung von Michael Bauer (geb. 1973 in Erkelenz/DE, lebt und arbeitet in Köln) in der Schweiz. Mit der Titelwahl gibt der Künstler bereits den ersten Hinweis auf den Einflussbereich Musik, welcher sich in seinen Malereien, Skulpturen und Zeichnungen niederschlägt.

Michael Bauers Malereien machen zunächst den Anschein, als ob sie imaginären Welten entspringen, in denen Fantasmen, Psychedelisches und diverse Stimmungen aufeinander treffen, vorübergehend zur Form gerinnen. Immer wieder erwecken seine Kompositionen den Eindruck, die eine oder andere Verzweigung hätte auch anderwertig ihren Weg bahnen können; ohnehin ist den Werken so viel Bewegung inhärent, dass der nächste Move geradezu spürbar ist. Grafisch-geometrische Formationen, Kreise und rahmende Elemente finden auf der Bildebene einen gemeinsamen Auftritt auf schlammfarbenem Untergrund mit Verdichtungen und vereinzelten Swashs. Oft tauchen in der Gesamtkomposition Elemente auf, die erkennbar und zuzuordnen sind. Da ein Auge oder sogar ein Gesicht, dort ein Hütchen, ein Duschkopf aus dem es Farben regnet, Hoden und Penisse, angedeutete Harlekine, Zigaretten, Pfeifen und wiederholt tauchen Tischtennisschläger oder Linien auf, die dem Grün des Tischtennis-Tisches entnommen scheinen. Angesprochen auf die Geschlechtsteile in seinen Bildern, antwortet Bauer u.a.: «Ich glaube die Phalli … sind eher traurige Anhängsel, ihrer eigentlichen Funktion beraubt. So wie ein letztes trauriges Winken der Potenz» (Die Figur ist Legion, MB im Interview mit Stefanie Popp, Kat. Borwasser, JRP/Ringier, Zürich, 2008).

Teasern gleich ziehen einzelne Elemente den Blick in den Bann und die Betrachter damit sogartig ins Schlamm- oder Schattengewühl der grau-braunen Flächenstrukturen, wären da nicht geometrische, klar strukturierte Elemente, welche dem Sich-Verlieren Einhalt gebieten. Schachbrettartige Gebilde, gestreifte Bahnen oder an Bordüren erinnernde Begrenzungen, welche die Bilder oben, unten und/oder an den Seiten rahmen, unterbrechen das imaginäre Flanieren und führen zurück ins Hier und Jetzt. Michael Bauer vergleicht seine Bilder mit Filmtrailern: «Das was im Kopf passiert, dieses Weiterspinnen eines Films, von dem man nur Bruchstücke kennt… Dieses Teasen kann man auch sehr gut in der Malerei anwenden. Lockstoffe, falsche Fährten, sich in Sicherheit wiegen» (Die Figur ist Legion, op.cit.). Mit der Art und Weise wie Bauer Sockel verwendet, erzeugt er diese Stoppfunktion für tatsächliches und imaginäres Zu-Nahe-Treten auch mit seinen Skulpturen: «DJ Penize z.B. besteht aus 3 Sockeln. Der erste trägt die Figur, die Figur ist Sockel für den Kugelschreiber und letzterer ist Sockel für die Kontaktdaten meines Steuerberaters» (Die Figur ist Legion, op.cit.).

Bauers Skulpturen bestechen durch ihren Materialmix aus teils rohen Holz- und oder Kartonsockel, Glasfliesen und vereinzelten alltäglichen Materialien wie Nikotinpflaster, Reiskuchen, in Harz gegossene Pillen oder besagtem Kugelschreiber. Ähnlich wie in den Malereien vereint der Künstler die oft abstrakt ausladende Komposition mit Gegenständlichem im oft wörtlichem Sinne. Auch sie spielen mit dem Verhältnis von Nähe und Distanz zwischen Werk und Rezipient. Zusammen mit Robert Kraiss und Florian Gass bildet Michael Bauer die Ylmaz House Band, deren Musik die Künstlerkollegin Stefanie Popp umschreibt mit dem «wabernden Gefühl des Blutstroms in den Adern oder vielleicht der Verdauung im Darm». Den Gesang beschreibt sie als «von ganz tief drinnen… Wie das Klang gewordene Unbewusste. Oder der frei fliessende innere Brei» (op. cit.), und trifft dabei sehr gekonnt den Punkt, an dem Musik- und Bildebene sich treffen. «Mit ihrem unbändigen Mangel an Logik sagen uns Bauers Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen immer wieder aufs Neue: ein Bild oder eine emotionale Reaktion kann man nicht proben, und man kann auch nicht erwarten, dass sich einem die Materialien oder die Einbildungskraft stets zu Willen sind. Ein Gemälde ist nie und war nie eine Erklärung — und es wird immer ebenso viel verbergen wollen wie es enthüllt» (Begin Again, Jennifer Higgie, Kat. Borwasser, op. cit.).
Text von Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl