Manuel Graf
20.4.
—
30.6.2013
Commercials, Mosques & Ceramics
Mit Commercials, Mosques & Ceramics zeigt das Kunsthaus Baselland die erste institutionelle Einzelausstellung des deutschen Künstlers Manuel Graf (geb. 1978 in Bühl/Baden, lebt und arbeitet in Düsseldorf) in der Schweiz.
Graf hat an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Magdalena Jetelova und Rita McBride abgeschlossen. Sein Werk wurde in Solopräsentationen im Kunstverein Hamburg, im Etablissement d’en face in Brüssel, im Kunstverein Göttingen und im Museum Abteiberg, Mönchengladbach gezeigt. Ebenso war Grafs Werk in zahlreichen Gruppenausstellungen präsentiert, u.a. im ICA London, MOCA Taipei und im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf. Im Kunsthaus Baselland war Manuel Graf bereits in der Ausstellung Golden Agers & Silver Surfers zu sehen.
Seine Einzelausstellung in den Galerieräumen des Kunsthaus Baselland ist über zwei Eingänge zugänglich: eine Treppe führt in den Raum, in welchem der jüngste Film let music play?, 2012, im installativen Setting gezeigt wird. Die andere Treppe führt zur reklametafelartigen Videoinstallation commercials for Jan Albers, 2013, und einer Präsentation von neolithic memory stick, 2012—13.
Das Werk von Manuel Graf besteht zwar in erster Linie aus Filmprojekten, die meist in Form von Installationen präsentiert werden, wird aber auch durch Objektanordnungen und Assemblagen ergänzt. Sein inhaltliches Interesse gilt den grossen Fragen der menschlichen Existenz, beispielsweise der Entwicklung der Menschheit oder woher die Kunst, die Architektur und das Handwerk kommt, und nicht zuletzt hinterfragt er, wie wir als Menschen leben, was uns verführt und uns visuell überzeugt.
Eine dieser grundsätzlichen Fragen greift der jüngste Film let music play? auf. Manuel Graf untersucht darin Raumkategorien und Raumdynamiken in Architekturen. In der Manier von dokumentarischen Lehrfilmen werden im ersten Teil des Filmes die unterschiedlichen Raumdynamiken zwischen einem Längsbau, einem konzentrischen Zentralbau, einer allseitig unendlich fortsetzbaren Säulenhalle und einer persischen Vier-Iwan-Moschee erklärt. Mittels Illustrationen und animierter Grund- und Aufrissdarstellungen erfahren wir, dass unsere Blickrichtung in den jeweiligen Bauten entweder nach vorne, hin zur Mitte, in einem unendlichen Raster oder, in der offensten Variante, in die vier Himmelsrichtungen konzentriert wird. Im zweiten Teil gibt der Film die Inhalte des zuvor Aufgezeigten videoclipartig mit Musik wieder und bringt somit eine werbestrategische Perspektive zum Einsatz, die den Betrachter in die Situation bringt, die erste Variante der Vermittlung mit jener zweiten zu vergleichen. Die scheinbar objektivierende Präsentation im Lehrfilmstil und die beschwingte, musikalisch aufgeladene Variante stehen sich in ihrer Wirkung auf den Betrachter gegenüber und fragen insgeheim jeden Einzelnen, welche Variante er favorisiert und gleichzeitig, warum er sie bevorzugt. Der dritte Teil des Films versteht sich als Annex und gibt in der Manier von Fussnoten Angaben zur thematischen Fachliteratur. Victor Hugos Notre-Dame de Paris wird ebenso zitiert wie Hans Beltings Florenz und Bagdad; die Spezialistin für islamische Architektur Ulya Vogt-Göknir kommt neben dem bekannten Architekten der Postmoderne, Robert Venturi, und dem Architekturprofessor Martin Speidel zu Wort. Als Rezipient erhalten wir weiterführende Literatur und erste Kostproben zur komplexen Thematik.
Im neuesten, speziell für die Ausstellung produzierten Film commercials for Jan Albers, kreiert Manuel Graf einen Werbefilm für die Werke seines Künstlerkollegen Jan Albers. Graf animiert dabei die ausgewählten Kunstwerke und schildert ihren Produktionsprozess in werbetechnisch affirmativer Manier. «Glossy» Oberflächen, detaillierte Kamerawinkel und Animationstechniken spielen mit unseren Sehgewohnheiten und verleiten zum ‹Haben-Wollen› des Gesehenen. Graf ist sich der Merkwürdigkeit, der Verfasser eines Werbefilms für einen Künstlerkollegen zu sein, bewusst und stellt mit diesem Film auch die Frage nach dem Erfolg des Kunstmachens. Denn während sein Künstlerkollege vom Kunstmarkt breit aufgenommen wurde, stellt sich die Situation für Manuel Graf anders dar. Sein Werk steht zum Markt in einem Spannungsverhältnis, was sicherlich sowohl mit der Wahl des Mediums als auch mit der Wahl anspruchsvoller Themen zu tun hat.
Wenn sich seine Filme am Kunstmarkt eher schwer behaupten, so haben möglicherweise die Keramiken, die den Titel neolithic memory sticks tragen, eine Chance. Manuel Graf präsentiert uns eine Reihe dieser Keramiken, arrangiert auf USM-Haller Vitrinen. So wie er sich in seinen Filmen durch die Geschichte der Zeiten, der Architektur etc. bewegt, sind auch die Keramiken von Verweisen auf unterschiedliche Zeiten und Stile durchzogen. Gegenüber den anspruchsvollen Thematiken der Filme, rühren die Keramiken an ein Verständnis für das Handwerk. Sie nehmen all diese Querverweise zudem mit einer Prise Humor auf und geben sie an uns Rezipienten weiter. Die Frage ist, von was lassen wir uns verführen — von der Komplexität oder von der Oberfläche? Von beidem? Graf hinterfragt unsere Rezeptionsgewohnheiten und sorgt dafür, dass die Kunst aus stets neuen Blickwinkel betrachtet werden kann.
Text von Sabine Schaschl