Gabrielle Goliath

13.5.  —
17.7.2022

This song is for ...

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Gabrielle Goliath, This song is for ..., 2019. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly
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Gabrielle Goliath, This song is for ..., 2019. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly
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Gabrielle Goliath, This song is for ..., 2019. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly
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Gabrielle Goliath, This song is for ..., 2019. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly
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Gabrielle Goliath, Berenice 29-39, 2022. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly
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Gabrielle Goliath, This song is for ..., 2019. Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2022. Courtesy Goodman Gallery. Foto: Gina Folly

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Gabrielle Goliath verortet ihre multidisziplinäre künstlerische Praxis innerhalb der Historie und der täglichen Erfahrungen eines „black, brown, femme and queer life“. Sie betrachtet ihre Arbeit als Reaktion auf die Prekarität und die Gewalt, die nach wie vor prägend sind für die sozialen Verhältnisse in postkolonialen und Post-Apartheid-Gesellschaften.

Gabrielle Goliath lebt und arbeitet in Johannesburg, wo sie an der Witwatersrand-Universität lehrt. Seit einigen Jahren widmet sie sich einer – wie sie es beschreibt – politischen Arbeit, ihrem „Lebenswerk der Trauer“, in deren Rahmen „wir uns eine andere Welt vorstellen und sie Wirklichkeit werden lassen [können]. Das bedeutet, dass wir uns die Namen und die abwesende Präsenz derer, die wir an die gewaltvolle Ordnung verloren haben, die wir zu verändern hoffen, die wir verändern müssen, bewahren und sie betrauern.“

Goliaths immersiven Umgebungen ziehen die Besucher*innen in einen partizipativen Raum der Möglichkeiten hinein – einen Raum der Poesie und der Schönheit, trotz der schwierigen Thematiken, denen sich die Künstlerin widmet. Dahingehend zitiert Goliath die führende Schwarze Wissenschaftlerin Saidiya Hartman, für die „Schönheit […] kein Luxus [ist], sondern eine Möglichkeit, unter eingeschränkten Bedingungen Möglichkeiten zu schaffen“. Diese Politik der Schönheit (und weniger ein Ideal dergleichen) liegt Goliaths Performances, Videoinstallationen und Fotoserien sowie den von ihr veröffentlichten Texten zugrunde, womit diese Arbeiten allesamt zu emphatischen und potentiell transformativen Begegnungen anspornen.

Goliath wurde mit ihrer bahnbrechenden Installation This song is for …, die zuallererst in Kiew im Jahr 2019 gezeigt wurde, international Aufmerksamkeit zuteil. Dem gingen Jahre der Recherchen, Treffen, Interviews und Kollaborationen voraus. Seitdem wurde die Arbeit an vielen Orten gezeigt und hat in diversen soziopolitischen Kontexten für Diskussionsstoff gesorgt. Für diese komplexe Zweikanal-Videoinstallation hat Goliath Überlebende von Vergewaltigungen gebeten, ihr ein Lied vorzustellen, das für sie von tiefgründiger persönlicher Bedeutung ist, indem es in Verbindung steht zu ihrer traumatischen Erfahrung oder zu ihrem Weg der Heilung. Diese Lieder wurden anschließend von einer kollaborierenden Frauengruppe sowie von Ensembles, die von Frauen oder queeren Menschen geleitet werden, aufgeführt. In dieses bewegende Stück, das nun zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen ist, sind musikalische Widmungen und Zeitzeugnisse von zehn Überlebenden eingeflossen, in denen das globale Ausmass sexueller Gewalt angesprochen wird und mit denen im Angesicht der unaussprechlichen Verbrechen auf kraftvolle Weise der Anspruch, am Leben zu sein, sowie die Forderung nach Liebe und Hoffnung bekräftigt werden.

Für Goliath erfordert This song is for … mehr denn die passive Distanz der Zeug*innenschaft. In dieser Arbeit werden die Betrachter*innen vielmehr Teil einer sie umschlingenden ästhetischen Begegnung, sie werden gewissermaßen zu Mittäter*innen. Goliath selbst dazu: „Ich nehme diese Möglichkeit in Arbeiten wie This song is for … wahr, in der Art von engagierten Begegnungen, nach denen diese Arbeit verlangt, da die Leute jenseits aller Differenzen, ungeachtet der Unvergleichbarkeit ihrer Leiden, eine Beziehung eingehen. Sie haben ihren Anteil am dringend notwendigen, schwierigen, aber – wie ich denke – transformativen Funktionieren einer Schönheit trotz allem.“

Abgesehen von der Installation wird auch Goliaths kürzlich erweiterte Fotoserie Berenice im Kunsthaus Baselland zum ersten Mal zu sehen sein. Diese fortlaufende Portraitreihe zur Erinnerung an Berenice – eine Freundin aus Goliaths Kindheitstagen, die im Zuge häuslicher Gewalt getötet wurde – markiert deren abwesende Präsenz. In Berenice 10-28 fungieren neunzehn Frauen, die sich selbst als „brown“ bezeichnen, als „Vertreterinnen“ der verstorbenen Freundin. Jede von ihnen markiert ein ungelebtes Lebensjahr, beginnend mit Berenices Todesjahr 1991 bis zum Jahr 2010, als die Serie fertiggestellt wurde. Goliath hat sich dazu entschlossen, nochmal auf diese Reihe zurückzukommen und der damit verknüpften Geste des Gedenkens in elf weiteren Porträts neues Leben einzuhauchen. In Berenice 29-39 (2022) wird an vielen formalen Eigenschaften der ersten Serie festgehalten, jedoch gibt es auch einige Unterschiede – Spuren ihres „Lebenswerks der Trauer“, wie sie es nennt. Berenice ist ein Meilenstein in Goliaths künstlerischer Praxis, diese Arbeit markiert für sie eine Art „ethical turn“ hin zu einer gemeinschaftsbasierten Politik der Fürsorge.

Goliaths Arbeit konfrontiert uns nicht nur mit den gewaltsamen Brüchen des menschlichen Zusammenlebens, sondern auch mit der Möglichkeit des Überlebens und mit den schwierigen, aber ermächtigenden Zuständen des Hoffens und der Gemeinsamkeit. Das ist das Trotz-allem, das Dennoch ihrer Praxis, das uns an unser gemeinsames Erdulden erinnert sowie an die Möglichkeit, uns selbst angesichts normativer Gewalt eine andere Welt vorzustellen und sie Wirklichkeit werden zu lassen. (Ines Goldbach)


Goliath kann auf eine außergewöhnliche Ausstellungsgeschichte zurückblicken, hat weltweit immersive Installationen präsentiert und wurde mit mehreren renommierten Kunstpreisen ausgezeichnet, darunter der Future Generation Art Prize/Special Prize (2019), der Standard Bank Young Artist Award (2019) sowie der Preis des Institut Français, Afrique en Créations auf der Bamako Biennale (2017).

Kurator*in: Ines Goldbach