Conrad Jon Godly
28.1.
—
18.3.2012
Ursprung
Conrad Jon Godly (geb. 1962 in Davos, lebt in Chur) ist für Kenner der Mode-Fotografie kein Unbekannter. Von 1987 bis 2005 füllten seine Fotografien die angesagtesten internationalen Modemagazine. Godly, der die Malfachklasse bei Franz Fedier an der Kunsthochschule Basel abgeschlossen hatte, stellte ab 2006 seine fotografische Karriere zurück, um sich zur Gänze wieder seinen ursprünglichen künstlerischen Wurzeln, der Malerei nämlich, zu widmen. Das Kunsthaus Baselland freut sich, dem Künstler eine erste institutionelle Einzelausstellung zu widmen.
Speziell für die Ausstellung URSPRUNG entstanden gänzlich neue Arbeiten, die zwar die Berglandschaften, mit denen Godly in den letzten Jahren bekannt wurde, aufgreifen — jedoch viel stärker auf einer hintergründigen, konzeptuellen Ebene. Waren in Ausstellungen wie Alpen Sehnsuchtsort & Bühne im Museum Residenzgalerie in Salzburg (2011) oder in Helldunkel in der Galerie Katz Contemporary in Zürich (2011) noch trotz reduzierter Farbverwendung Bergformationen, Gipfelspitzen oder die verschiedensten Licht- und Witterungsmomente der Bergwelt erkennbar, so tritt das Gegenständliche in den neuen Werken stark zurück.
Der Künstler hat das bisherige Motivrepertoire, das auf den ersten Blick mit vermeintlich wenig pastosen Pinselstrichen konzipiert — tatsächlich aber schon von Anfang an aus zahlreichen geschichteten Kompositionen bestand — virtuos weiter entwickelt. Die neuen, vordergründig dunklen Bilder bestechen durch eine beinahe ins Extreme geführte, bildhauerische Farbverwendung aus sowohl sehr pastos als auch sehr diaphan aufgetragenen Schichten. Eine Serie, bestehend aus neunzehn für den langen Fensterraum im Kunsthaus Baselland konzipierten Bildern, wurde aus unzähligen dünnsten Farbschichten komponiert. Hinter einer fast netzartigen Struktur aus einem Ölfarbe/Terpentin-Gemisch lassen sich einzelne räumliche Momente erahnen oder man vermeint, eine Bergspitze zu erkennen, ohne dass diese sich auch tatsächlich preisgibt. Die Malereien rühren an unseren motivischen Erinnerungsspeicher, der uns das Motiv einer Bergspitze suggeriert. Die unterschiedlichen räumlichen Andeutungen erinnern an das ‹Alice in Wonderland›-Phänomen, bei welchem die Phantasie in verschiedenste Welten eintaucht. Zwischen Betrachter und Werk entwickelt sich eine physische Verbundenheit, die das Eintauchen in räumliche Momente oder in die Materie beinahe physisch spürbar werden lässt.
Eine zweite Serie neuer Ölbilder entwickelt sich aus zahlreichen pastosen Farbaufträgen, deren räumliche Auskragung einmal mehr einmal weniger zugelassen wird. Mit einer eigens entwickelten Technik versucht Godly den Pinselstrich aufzuheben und so Strukturen zu schaffen, die den Eindruck erwecken, durch Erosionen, Witterungseinflüsse oder durch andere tektonische Ereignisse entstanden zu sein. Ihr inhärenter, auf archetypische Geschehnisse in der Natur verweisender Charakter öffnet eine geistige Verbindung zum Ursprung der Welt, was letztlich auch für die Titelgebung den Ausschlag gab. Die ungeahnten Bewegungen der Strukturen erfahren in ihrer Akkumulation und durch die Grossflächigkeit der Bilder eine starke Dynamisierung — es scheinen Kräfte im Inneren zu wirken, die dort und da in ihrer Kraft nach aussen dringen. Oft ragen einzelne Momente der gestalteten Farbmaterie sogar über das vorgegebene Leinwandformat hinaus. Kein Motiv ist sichtbar, lediglich unser Bedürfnis nach Benennung von Phänomenen lässt uns vergleichbare Motive erahnen: eine Wasseroberfläche, eine Felswand oder eine Strandstruktur — wir meinen etwas Fassbares vorzufinden, ohne jedoch in dieser Sicherheit verweilen zu können. Die Motive scheinen in den Malereien verinnerlicht und ihre Spur, ihre Momente und ihre Erinnerung nach aussen getragen. Eben jenes Angedeutete und Offene ermöglicht dem Rezipienten seinen persönlichen Einstieg in das Bild, mit seinem ur-eigenen Erinnerungsvermögen. Auch in dieser Serie spielt der Zufall eine gestalterische Rolle, welcher sich mancherorts als kleines Rinnsal oder Abrieb manifestiert. Der Künstler kann zwar die meisten Prozesse steuern, dennoch bleiben immer noch die nicht vorhersehbaren, die den Bildern letztlich ihre Unnachahmlichkeit verleihen.
Ebenfalls gezeigt werden die den Malereien vorangegangenen Skizzen auf Büttenpapier, das mit der angebrachten Ölfarbe eine spezielle Verbindung eingeht. Mal saugt sich die Farbe stärker ein, mal weniger und verändert je nachdem die Papieroberfläche. Ergänzt mit darüber gestreuten Pigmenten, werden die Flächen zu wüstenartigen Landschaften, vulkanischen Eruptionen oder schlichtweg bewegten Strukturen. Sie verkörpern bereits im kleinen Format die gesamte Bandbreite des typisch Godly’schen skulptural malerischen Formenrepertoires — sie tragen sozusagen im Kleinformat bereits die ganze Welt in sich.
Text von Sabine Schaschl