Carlos Garaicoa

1.6.  —
15.7.2012

A City View From the Table of My House

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Carlos Garaicoa, Prêt-à-porter, 2011, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, The Old and the New, 2010, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, The Old and the New, 2010, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, Bend City, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Carlos Garaicoa, Tree of Abundance, 2011, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012

Carlos Garaicoa (geb. 1967 in Havanna, lebt in Havanna und Madrid) vereint in seiner Ausstellung im Kunsthaus Baselland ältere mit ganz neuen Werken. Garaicoa untersucht in seinen Arbeiten Architektur und Urbanismus als Abbild und Spiegel politischer Realität und gesellschaftlicher Entwicklung. In Fotografien, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen und Filmen macht der Künstler auf die Krise und Geschichte des städtischen Raums aufmerksam. Carlos Garaicoa hat bereits an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, so auch an der documenta XI (2002), der Biennale in Venedig (2005, 2009) oder der Havana Biennale (2012, 2009). Seine Arbeiten waren in umfangreichen Einzelausstellungen u.a. im Institute of Contemporary Art (ICA), Philadelphia (2007) oder im Irish Museum of Modern Art zu sehen.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Kunstverein Braunschweig.

Seine Heimatstadt nimmt er bereits seit den 1990er-Jahren immer wieder zum Ausgangspunkt seiner Arbeit. In ihren neoklassizistischen Ruinen spiegelt sich der verlorene Glanz der spanischen Kolonialzeit und in den oftmals nicht vollständig realisierten Bauwerken des Sozialismus zeigen sich eindringlich die Folgen des Niedergangs moderner Ideologie. Garaicoa fügt dem Vorhandenen auf kritisch hinterfragende Weise seine eigene Utopie hinzu. Er ergänzt beispielsweise auf Schwarz-Weiss Fotos von zerfallenen Gebäuden mit feinen, farbigen Fäden die zerstörten Teile oder vollendet auf diese Weise imaginär Bauwerke, die in Wirklichkeit nie fertig gestellt worden sind. Dahinter steht eine umfassende Kritik sowohl an Regierung und Institutionen, die den Verfall der Stadt seit der Revolution 1959 nicht verhindern, als auch an den Ideologien des 20. Jahrhunderts im Allgemeinen. Viele seiner Werke sind so fragil wie die Hoffnung in krisengeplagten Zeiten oder die Erinnerung an das längst Vergangene: The Old and the New (2010) heisst beispielsweise eine 12-teilige Serie von Papierarbeiten, in denen sich feine Lithografien historischer Fassaden vorsichtig aufbäumen und die mit utopisch wirkenden Scherenschnitten aus schwarzem Karton erweitert und ästhetisch gebrochen werden. Garaicoas Blick auf die Stadt löst sich immer wieder von konkreten Orten der Wirklichkeit und lässt künstlerische urbane Visionen entstehen. Eine fiktive Stadt, die sich zudem mit dem Thema von privatem und öffentlichem Raum auseinandersetzt, stellt das Foto der Installation A City View From the Table of My House (1998) dar: antiquiert wirkende Alltagsgegenstände wie Kristallvasen, Lampen und Glasflakons formen gemeinsam eine Art Modell, das es dem Besitzer erlaubt nach Belieben Gebäude und Plätze zu verrücken. Gleichzeitig erzählen die Gegenstände selbst eine Geschichte persönlicher Erinnerungen und formen so den Charakter dieser eigentümlichen Stadt. Dagegen ist Bend City (Red) (2008) auf den ersten Blick eine Ansammlung minimalistisch anmutender Papierskulpturen. Bei näherer Betrachtung heben sich aus den 96 gefalteten, roten Papierseiten durch feine Schnitte und Faltungen jedoch Brücken, Gebäude und Denkmäler empor. Zusammen lassen die individuell gestalteten Bauwerke die poetisch-bedrückende Utopie einer sozialistischen, gleichförmigen Stadt entstehen. Carlos Garaicoas Werk beinhaltet oft auch eine ironisch politische Komponente, wie beispielsweise in der Installation Prêt-à-porter. Die Installation fokussiert auf das Thema Hüte bzw. Kopfbekleidungen, die als formale und symbolische Elemente eingesetzt werden. Auf einem grossen Tisch platziert der Künstler hölzerne Hutmodels und einige, von Designern gestaltete Hüte. Hüte sind wichtige Symbole für politische und offizielle Würdenträger. Ergänzt mit Collagen, in denen der Künstler politische Amtsträger mit gezeichneten Hüten ausstattet, zieht sich eine feine ironische Linie durch, die das Wechselspiel von Macht und Bekleidung aufzeigt. Wenn Nikolas Sarkozy hingegen eine Joker-Mütze aufgesetzt bekommt, wird dies zum klaren politischen Statement, das die Glaubwürdigkeit des Politikers in Frage stellt.
Text von Kunstverein Braunschweig und Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl