Andreas Hagenbach

Million Dollar Ocean Views Up Here

6.5. —
2.7.2006

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Andreas Hagenbach, Million Dollar Ocean Views Up Here, 2005, Foto: Kunsthaus Baselland
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Andreas Hagenbach, Million Dollar Ocean Views Up Here, 2005, Foto: Kunsthaus Baselland

Der Basler Künstler Andreas Hagenbach (*1964, lebt und arbeitet in Basel) zeigt in der Kunsthaus Baselland Galerie die Fotoserien Million Dollar Ocean Views Up Here und Paradise Just Gets Better in Form einer Diaprojektion und eines Videos, welche allesamt anlässlich seiner Aufenthalte in Westaustralien in einem Zeitraum von über zwei Jahren entstanden sind.

Der Künstler beleuchtet in seiner fotografischen und filmischen Arbeit ein zeitgemässes, von marktwirtschaftlichen Kräften geprägtes Australien, welches mit der Vorstellung vom paradiesischen Land der Auswanderung und Zuflucht nicht mehr viel zu tun hat. Hagenbachs Fokus konzentriert sich auf die Vororte der Stadt Perth, die seit einigen Jahren für Grundstücksspekulanten von besonderem Interesse sind, gilt es doch Lebensräume für Neuzuwanderer zu schaffen und möglichst viele Wohnobjekte für Investoren aus Übersee anzubieten. Wie das Video Hagenbachs zeigt, werden dafür grosse Landstriche und ihre Vegetation bis zum letzten Grashalm gerodet und für den Bau riesiger Wohnterrassen eingeebnet. Monströse Baugeräte tragen Erdschicht um Erdschicht ab; die Zerstörungs-maschinerie wirkt wie in einem Science-fiction Film, die keinen Grashalm zurücklässt.

Abgesehen von der schonungslosen Vernichtung jedweder einheimischer Vegetation, bringt der Bauboom — wie die Fotografien Hagenbachs aufzeigen — auch die zunehmende Stereotypisierung der neuen Wohnhäuser ans Tageslicht. Ein Grundriss gleicht dabei dem anderen, die Parzellengrössen scheinen so einheitlich als möglich, die nachbarliche Ausstattung gilt als Vorbild für alle weiteren Villen. All dies lässt sich jedoch nur noch erblicken, so lange die Häuser nicht von Zäunen eingegrenzt werden. Erinnerungen an so genannte ‹Gated Communities› werden wachgerufen, also jenen nach aussen hin abgesicherten Wohnanlagen für Leute höherer Einkommensschichten.

Der Typus der neuen Küstenwohnungen operiert mit visuellen Codes für Reichtum ohne nach Herkunft von Symbolen und deren Entstehung zu fragen. So findet man architektonische Elemente vor, deren ursprüngliche Funktion nicht mehr gegeben ist. Die omnipräsenten Löwenskulpturen beispielsweise, die Eingänge flankieren, entbehren im Gegensatz zu ihren genuinen archaischen Vorbildern völlig der Abschreckung und Respekt einflössenden Wirkung; sie sind austauschbare leere Hüllen, welche als Formenvokabular für ‹reiches Wohnen› per se gelesen werden. Die Ästhetik der Bilder Hagenbachs streicht die Ent-Individualisierung und Vermassung des Eigenheimtraums an der Küste hervor. Seine meist frontal gehaltenen fotografischen Ausschnitte treffen auf Fassaden, Zäune und Flächen, die das Dahinter ausblenden. Die Gleichförmigkeit der Wohnobjeke, ihre ‹Hülsenhaftigkeit› wird durch die Wahl der fotografischen Ausschnitte betont. Ein Verkaufsslogan eines Wohnungsmaklers, welcher den vermeintlich neuen Wohntraum bewirbt, bringt die Stimmungslage unfreiwillig auf den Punkt: «The search for the ultimate coastal lifestyle ends here».

Hagenbach spürt in seinen Fotografien den Paradoxien zwischen reichem und entindividualisiertem Wohnen, zwischen Lebensglück und der Zerstörung der für das Lebensglück notwendigen Natur nach. Er zeigt uns ein für den Touristenblick untypisches Australien, das sich den globale Entwicklungen unangefochten anpasst und dabei seine Eigentümlichkeit verliert. «Der neutral dokumentierende, oft frontal gewählte Bildausschnitt lässt den schweifenden Blick quasi an den Fassaden mit ihren blinden Fenstern abprallen und unterstreicht den Standpunkt des Aussenstehenden — oder, vice versa, den des Gefangenen.» (Eva Scharrer)

Kurator*in: Sabine Schaschl