Marc Bauer

Nature as Territory

19.5. —
15.7.2012

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Marc Bauer, Chimera, 2012
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Marc Bauer, Nature as Territory, 2009, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Marc Bauer, Inselserie, 1969, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Marc Bauer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Marc Bauer, Skelett Haus, 2012

Das Kunsthaus Baselland freut sich mit der Ausstellung Nature as Territory dem Schweizer Künstler Marc Bauer (*1975 in Genf, lebt in Berlin) eine Einzelausstellung in den Galerieräumen zu widmen. Marc Bauer, der an der École Supérieure d’Art Visuel in Genf studierte, ist in den letzten Jahren mit zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland beständig die Karriereleiter hinauf geklettert. Neben Einzelausstellungen im Kunstmuseum St. Gallen (2010), dem MAMCO (2009) und bei attitudes (2001, 2007), waren seine Zeichnungen auch in Beirut (Beirut Art Center, 2011), Clermont-Ferrand (FRAC Auvergne, 2009) und an der Art Basel (Statements, 2008) zu sehen. Der Künstler war ebenso einer der drei Nominierten für den Zeichnungspreis vergeben von Daniel & Florence Guerlain.

Für Marc Bauer sind es persönliche Erinnerungen, historische Ereignisse und ihre Dokumentationen, wie beispielsweise Fotos seines Grossvaters aus dem Zweiten Weltkrieg oder die Geschichten historischer Persönlichkeiten, die immer wieder Ausgangspunkt seiner zeichnerischen Auseinandersetzungen sind. Der Künstler zeichnet in verschiedenen Formaten und präsentiert die Zeichnungen mal klassisch gerahmt, mal auch in installativer Form. Immer wieder verschmelzen in den thematischen Serien Historisches und Persönliches mit Fiktivem, thematische Vertiefungen mit persönlichen Interpretationen, Gesehenes und Erlebtes mit Imaginiertem. «Diese Verschmelzung ist die Grundlage für eine Reflexion über Subjektivität, die sowohl der Art, wie wir unsere eigenen Erinnerungen organisieren, zugrunde liegt als auch der Art, wie ein kollektives Gedächtnis sich Ereignisse aneignet, um sie dann so zu verknüpfen, dass daraus die sogenannte ‹Geschichte› entsteht» (Jean-Charles Vergne). Für die Ausstellung im Kunsthaus Baselland greift Marc Bauer das Thema Natur und die damit verbundenen Territorialvorstellungen auf, wobei er sich im Speziellen mit den Erscheinungs- und Bedeutungsformen von Inseln beschäftigt. So ist die Idee von Insel für die meisten Menschen mit der Vorstellung von Refugium, Hoffnung oder idyllischer Urlaubszeit verbunden. Dass eine Insel auch zum gegenteiligen Symbol werden kann, haben die Anschläge des rechtsextremen Mörders Anders Behring Breivik auf der norwegischen Insel Utoya bewiesen, auf welcher rund siebzig Menschen ihr Leben verloren. Marc Bauer bezieht in seiner neuesten Serie kunsthistorische Vorbilder, v.a. die Insel-Zeichnungen von Paul Thek (1969) mit ein, oder fiktive, erfundene Inselmotive mit denen wir Schönes verbinden, ebenso wie die Insel Utoya, die zum Inbegriff des menschlich Bösen, welches zusätzlich die Natur als Territorium missbraucht, geworden ist. Die Ambivalenz von Schönem und Schaurigem hat den Künstler schon öfters beschäftigt: «Ich hatte immer den Eindruck, dass man mich belügt, und dass sich hinter allem Schönen in Wirklichkeit etwas Faules verbirgt». Eigens für die Ausstellung im Kunsthaus Baselland entstanden erstmals Zeichnungen auf weiss lackiertem Aluminiumgrund, welcher die einzelnen Striche besonders markant zur Geltung kommen lässt. Mit gezielten Radiergummi-Verwischungen entstehen malerische Übergänge und Formen, die der Künstler sujetspezifisch einsetzt. So kann ein Inselmotiv sowohl als dekoratives Ensemble aus Strichen, Linien und Geflechten entstehen, als auch zeichnerischer Zugang zu einer wissenschaftlicheren, sachlich nüchternen Darstellungsweise sein. Bauer lässt in seinen thematischen Auseinandersetzungen immer wieder Raum für Abweichungen oder Bruchstellen, die das gewählte Thema assoziativ streifen oder überhaupt nichts damit zu tun haben. Die Zeichnung, die den Holzschnitzer Gepetto und seine zum Leben erwachte Holzfigur Pinocchio auf der Flucht aus dem Bauch des Wales zeigt, ist so eine thematische Bruchstelle, die sich im Gesamten wie eine rhizomartige Verzweigung präsentiert. Eine weitere Zeichnung ist an der Wand so installiert, dass sie in den Raum hinein bewegt werden kann. Auf der einen Seite zeigt sich eine grossformatige Welle, die in ihrer Konzeption Stellen aufweist, die sich spiegeln, Stellen, die sich spielerisch aus einem Motiv heraus weiter entwickeln und eine Variante bilden. Das faszinierende Geflecht an Linien, Strichen und Verwischungen vereinigt sich zu einer Art Muster, in dessen Einzelteilen sich der Rezipient verliert. Die andere Seite der paraventartigen Zeichnung zeigt eine schematische Darstellung der berühmten modernistischen, von Le Corbusier entworfenen Villa Savoye. Für Marc Bauer ist das Format Zeichnung und die jeweilige thematische Fokussierung eine genuine Äusserung seiner jeweiligen Auseinandersetzungen, eine Momentaufnahme seines Schaffens. Jede Zeichnung bannt eine spezifische Facette dieser Momente, welche zwischen dem Eindeutigen und dem Erfundenen, dem Gewussten und dem Erdachten, dem Wissenschaftlichen und dem Dekorativen, dem Fertigen und Unfertigen oszillieren.
Text von Sabine Schaschl


Kurator*in: Sabine Schaschl