Edit Oderbolz

31.8. —
6.11.2016

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Edit Oderbolz, Now Rain, Now Sun, 2016, Melonen, Zeitungen, Armierungsstahl, Lack, Stoffe, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2016, Foto: Gina Folly
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Edit Oderbolz, Pose, 2016, Armierungsstahl, Lack, Grösse variabel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2016, Foto: Gina Folly
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Edit Oderbolz, Pose, 2016, Armierungsstahl, Lack, Grösse variabel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2016, Foto: Gina Folly
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Edit Oderbolz, Pose, 2016, Armierungsstahl, Lack, Grösse variabel, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2016, Foto: Gina Folly

Die 1966 in Stein am Rhein geborene und in Basel lebende Künstlerin Edit Oderbolz beschäftigt sich in ihren meist dreidimensionalen Werken intensiv und konsequent mit verschiedenen Lesarten von Raum und Material. Mit unterschiedlichen Ansätzen werden diese beiden Themen immer wieder neu befragt, ausgelotet und verhandelt. In ihrer Einzelausstellung im Kunsthaus Baselland, die in Kooperation mit dem Kunstverein Nürnberg — Albrecht Dürer Gesellschaft entstand, zeigte Oderbolz neue, grossformatige Werke, die auf eindrückliche Weise mit der vorhandenen Raumarchitektur des Kunsthaus Baselland interagieren und diese auch thematisieren.

Gleich im ersten grossen Raum des Untergeschoss führt Edit Oderbolz den Besucher mitten in ihre erste neue Arbeit: Am Boden verteilt liegen grosse, grün-gelb marmorierte Objekte, die Wassermelonen täuschend ähnlich sehen und teilweise genau das sind. Daneben stehen mehrere gefaltete Zeitungen. Die Assoziation an kleine, schützende Zelte stellt sich ein, die — in raschen Gesten erzeugt — zum Schutz vor einem unerwarteten Regenguss oder der heiss auf den Kopf brennenden Sonne dienen könnten. Beide Objekte — Melone und Zeitung — sind Teil der neu entwickelten Installation Now Rain, Now Sun (2016) und beziehen sich auf ein Zitat des Architekten und Architekturkritikers Bernard Rudofsky: «Suburban man falling asleep near his lawn mower, pulling a section of his Sunday paper over his head. thus reenacts the birth of architecture.» Die gefaltete Zeitung als zufällige Entstehung und Formulierung von Architektur. Mit Blick auf diese neue Installation von Oderbolz lässt sich die Faszination für diesen Gedanken leicht nachvollziehen: Allein durch die simple Geste der Faltung einer Fläche, von einer zweidimensionalen in eine dreidimensionale Form, wird Raum generiert. Dies könnte auch als Beschreibung vieler ihrer Werke funktionieren: Mit einfachen, logischen Handlungen und Setzungen realisiert sie ihre Skulpturen und Installationen. Durch ihr Erscheinungsbild, ihre Grösse, die Anordnung und Kombinatorik der Materialien und ihre Präsenz im Raum eröffnen die Arbeiten unterschiedlichste Fragen an räumliche Bedingungen und ihre Auswirkung auf unser Handeln und Sein — und nicht zuletzt an eine Neudefinition von Skulptur.

Oderbolz bezieht sich aber auch auf bestehende Architektur. Etwa bei der Arbeit Pose, die die gesamten Shedhallen im Untergeschoss einnehmen und mit der die Künstlerin Bezug auf das Gebäude Pedregulho in Rio de Janeiro von 1952 nimmt. Mit einer Länge von über 18 Metern breitet sich Pose (2016) auf einer Fläche von mehreren Hunderten von Quadratmetern aus. Die Künstlerin liess eigens eine Wand entfernen, um der Arbeit diese Ausdehnung zu erlauben und die Shedhallen als singuläres Volumen zu erfassen. Durch die Grösse, die geschwungene Gestalt und Struktur bildet das Werk selbst eine raumgreifende architektonische Form innerhalb des gegebenen Raumes. Doch Pose besetzt nicht, sondern aktiviert den Ausstellungsraum. Im Gegenüber mit der Arbeit wird klar, dass es Oderbolz um mehr als ein formales Zitat geht. Die Anlehnungen an bestehende Architektur und ihre Elemente sind für die Künstlerin Vehikel, um darüber nachzudenken, welche Rolle Raum auf die Ausbildung von sozialen Gefügen einnimmt.

Mit zusätzlichen minimalen Setzungen — mit Objekten, die an Türen, vermeintliche Öffnungen, Fenster oder Ausblicke erinnern, erweitert die Künstlerin die Auseinandersetzung mit dem Realen Raum auf den mentalen Gedankenraum aus. In Doors and Windows, 2016 verweist sie auf einen imaginären oder künstlich konstruierten, virtuellen Raum. Beim Durchschreiten der beiden grossen Auslegeordnungen im Untergeschoss des Kunsthaus wird eines besonders deutlich: Oderbolz macht den Besuchern und Besucherinnen ein Angebot. Ein Angebot, den Raum als architektonische Grösse zusammen mit der skulpturalen Setzung neu zu erfahren und die eigenen Gedankenräume dabei zuzulassen.
Text von Ines Goldbach

Die Ausstellung im Kunsthaus Baselland sowie die Publikation wurden grosszügig unterstützt durch: Kanton Basel-Stadt Kultur, kulturelles.bl, Stanley Thomas Johnson Stiftung, Roldenfund, Pro Helvetia, Hans und Renée Müller-Meylan Stiftung, Erna und Curt Burgauer Stiftung, Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung sowie von jenen, die namentlich nicht genannt werden möchten.

Parallel zur Einzelausstellung von Edit Oderbolz fand die Einzelausstellung von Bruno Jakob statt.


Kurator*in: Ines Goldbach